Sonntag, 20. Juli 2014

Vorsicht Retrodesign II.

Ehrlich:
Nur das Foto sieht gut aus.
Es ist Sonntag. Ich finde, dass das den Beginn mit einem Bibelzitat rechtfertigt. Aus aktuellem Anlass mit diesem aus Epherser 6:
Ehre Vater und Mutter, das ist das erste Gebot, das Verheißung hat: auf daß dir's wohl gehe und du lange lebest auf Erden. Und ihr Väter, reizet eure Kinder nicht zum Zorn, sondern zieht sie auf in der Vermahnung zum HERRN.
Cool - oder? Naja. Ich will mal die Kirche im Dorf lassen. Ich beschränke mich auf den zweiten Teil - den mit den Vätern. Den ersten kennen wir ja zur Genüge. Die zweite Hälfte wird aber ganz gerne unter den Tisch fallen gelassen. Oder? Ich meine, die Wirkung der ganzen Geschichte mit den Füßen unter dem Tisch des Vaters und so wäre doch sofort verpufft, wenn er nachschieben würde "Und solange du deine Füße unter meinem Tisch hast, will ich dich auch nicht ärgern." Denn dann wäre ja sozusagen eine Beziehung auf Augenhöhe erreicht: Du respektierst mich und ich respektiere dich und wir achten einander und alles ist schick. Tolle Idee, oder? Nur irgendwie funktioniert die nicht richtig, weil fast immer eine Seite patzt. Ich meine jetzt keine bestimmte. 

Es mag ja eine natürliche Hierarchie in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern geben, die durchaus sinnvoll ist und der Brut in ihren ersten Jahren einen enormen Überlebensvorteil sichert. Es ist die Rolle der Eltern, ihre körperliche und kognitive Überlegenheit dazu einzusetzen, wichtigen von unwichtigen Anliegen zu unterscheiden, prinzipielle Grenzen zu ziehen, diese zu überwachen und nach und nach zu erweitern bis die lieben Kleinen die Konsequenzen ihrer Handlungen zumindest einigermaßen überblicken können und zu entsprechender Impulskontrolle fähig sind. Diese Überlegenheit ist anfangs da, legitim und wichtig. Später allerdings - so nach etwa 40 Jahren - sollte sich das irgendwo relativiert haben. Die meisten Kinder sind dann nämlich erwachsen. Dazu gehört ein großer Erfahrungsschatz, in vielen Fällen eine eigene Familie, ein eigener Haushalt und sogar so etwas wie ein eigener Geschmack. Der durchaus auch Qualität erkennt, beurteilen und schätzen kann. 

So, VÄTER. Jetzt seid ihr nämlich fällig. Und zwar sowas von. Und ihr MÜTTER, ONKEL, TANTEN, PATENONKEL, PATENTANTEN und überhaupt IHR ALLE, die ihr immer noch meint, uns überlegen zu sein und glaubt, uns mit eurem stinkigen, ramschigen Kellerschrott eine riesige Freude machen zu können - lasst euch gesagt sein: nur, weil wir immer noch popelige 30 Jahre jünger sind als ihr, sind wir keinesfalls ahnungslos. Und schon gar nicht in den Dingen, die uns gefallen. Wenn wir also heute Vorlieben pflegen, die euch vor Jahrzehnten auch schon umgetrieben haben, kramt bitte nicht in euren Kellern und spendiert uns großzügig die Reste von damals. Denn die meisten Sachen werden durch die Zeit nicht besser, sondern nur alt und muffig. Das gilt übrigens auch für Spirituosen. Ein alter billiger Whiskey wird durch 30 Jahre im Keller eben nur 30 Jahre älter. Dasselbe gilt für Pfeifentabake, die zusätzlich noch schimmeln. In dieselbe Reihe gehören Enzyklopädien von 1956, Marmeladen aus den 1980ern oder Oma Sonntags Geschirr. Ihr wisst Bescheid...

Also, ihr Altvorderen, lasst uns einen Deal machen: Wir ehren euch und ihr versucht im Gegenzug, euren Keller auf herkömmlichem Weg zu entrümpeln. Solltet ihr dort etwas von echtem Wert finden, verkauft es, macht eine großartige Reise und schickt uns wunderschöne Urlaubspostkarten. Die legen wir dann in unserem Erinnerunsschatz ab und freuen uns, dass ihr zu leben versteht.

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