Donnerstag, 13. März 2014

102.800 verlorene Möglichkeiten

Verlorene Möglichkeiten 2013
Heute hat mich eine Zahl des statistischen Bundesamtes mal brutal von hinten erwischt. Ich war eh schlecht drauf, deswegen war der Impact besonders tief. Passt. Wie auch immer. 

Wer jetzt noch gut drauf ist, sollte mal besser weglesen. 

Denn die Zahl des Tages heißt 
102.800 Abtreibungen in Deutschland im Jahr 2013. 

Man muss sich ausmalen was das konkret bedeutet: Zum Beispiel, dass fast ganz Moers im vergangenen Jahr ausgelöscht worden ist. Ich meine - nicht, dass ich irgendetwas gegen Moers hätte. Soll ja zuweilen ganz gute Jazz Musik da geben. Ich hätte auch Hildesheim, Cottbus oder Kaiserslautern sagen können. Das sind alles "Großstädte" mit etwas mehr als 100.000 Einwohnern. Ich erlaube mir kein Urteil darüber, ob diese Städte ein Existenzrecht haben oder nicht - ist bestimmt auch irgendwie total schön da - aber eine von denen musste letztes Jahr evakuiert werden. Also entleert. Dauerhaft. Naja - die Leute da sollen sich mal nicht beschweren, denn die hatten ja sicher schon ein paar tolle Jahre - so mit Frühling, Sonne, Flipflops, Eis und Ferien. 

Oder eine andere Rechnung: "Unsere" Schule hat 240 Schüler. Mit den in der Potenz verbliebenen Kindern könnte man die 428 mal füllen. Die Füllung von 428 Grundschulen wurde abgesaugt. Oder rund 2.284 mal "unser" Kindergarten. Ist doch prima - die knapp 23.000 Erzieher und 10.700 Grundschullehrer können dann in der Altenpflege arbeiten. Da werden sie sowieso dringend gebraucht und das Persönlichkeitsprofil der zu Betreuenden ist ähnlich...

Ich werde unendlich traurig, wenn ich an all die kleinen Menschen denke, die nicht einmal anfangen durften und schon lange vor dem PEKiP aussortiert worden sind und zwar nicht, weil der Kurs voll war, sondern weil sie irgendwie gerade nicht is Konzept gepasst haben. "War gerade irgendwie ungünstig/eine Katastrophe/nicht mein Typ". Weiß man ja vorher nie. Vielleicht wäre es doch "günstig" oder ein Glücksfall geworden? Irgendwie?? Wer kann schon sagen, wer das mal geworden wäre - ein cooler Typ mit 'ner E-Gitarre, eine Künstlerin, eine Schlagzeugerin, Tänzerinnen, Pferdenarren, Tierliebhaber, WissenschaftlerInnen, vielleicht Fußballer, Lehrer oder vollkommen talentfreie Menschen, die sich am Feierabend gerne mal aufs Sofa setzen und Sportschau gucken. Vorher wären das Kinder gewesen, die sich für Cars, Rapunzel oder Elfen-Comics begeistern. Die Glitzer lieben, voll auf Dinos, Lutscher oder Holzeisenbahnen abfahren. Die einem die Welt auf so unnachahmliche Weise erklären, dass man einfach daran glauben muss. Aber trotzdem froh ist, wenn man nach 20 Uhr wieder die Deutungshoheit besitzt. Die so unglaublich zornig und glücklich sein können, dass man selbst immer noch eine gehörige Portion davon abbekommt. Die unendlich kostbar sind, allein, weil sie da sind.

Es ist soviel perfektes Leben, das da so endgültig verloren geht und was keine Lobby hat.

Nur vier Prozent der Abtreibungen waren medizinisch indiziert - die Schwangerschaften von Vergewaltigern sind da mit hineingerechnet. Knapp drei Viertel der Frauen (74 Prozent) waren zwischen 18 und 34 Jahre alt. 15 Prozent zwischen 35 und 39 Jahre, 8 Prozent über vierzig. 

Ach so - und hier der Link.