Wer
sich ab dem 30. Januar 2015 bei Facebook einloggt, willigt automatisch in die
neue Datenschutzrichtlinie des Unternehmens ein. Die besagt, dass Facebook von diesem
Tag an nicht nur wie bisher Informationen aus dem Nutzerprofil und den damit
verbundenen Apps, Spielen und Anzeigen sammelt und auswertet, sondern seine Mitglieder
auch beim Surfen außerhalb des sozialen Netzwerkes beobachtet. Widerspruch ist
nicht möglich.
Bewerkstelligt wird die gezielte
Verfolgung der Nutzer durch die Technologie eines eigenständigen Facebook-Tochterunternehmens,
dem Werbenetzwerk Atlas Solutions, LLC. Der
Dienst wurde ursprünglich von Microsoft gegründet und stellte Firmen - ähnlich
wie Google - im ganzen Internet Raum für Anzeigen zur Verfügung. Facebook hat
das Unternehmen im Jahr 2013 gekauft und die Plattform grundlegend überarbeitet.
Jetzt soll Atlas nach eigenen Angaben in der Lage sein, Personen im Netz zielsicher
zu identifizieren und mit individuell zugeschnittener Werbung zu versorgen,
ihre Wirkung auf den potenziellen Kunden zu analysieren und so Schritt für
Schritt zu verbessern.
Was sich zunächst recht harmlos
anhört, hat es aber in sich. Wer die Datenrichtlinien bei Facebook liest,
könnte meinen, dass das soziale Netzwerk seine eigenen Anzeigen künftig einfach
nur auf andere Internetseiten ausweitet und man das Problem löst, indem man die
Werbung ausblendet. Das kann man tun. Es verfehlt aber den Kern des Problems.
Denn Atlas sammelt die Daten unbeeindruckt weiter, verzichtet lediglich darauf,
dem Nutzer „seine“ Anzeigen zu präsentieren.
Was
ist neu?
Bisher fiel es Cookies und
Co. grundsätzlich schwer, dem Nutzer zu folgen, sobald der die Geräte
wechselte. Die kleinen Spähdateien können nicht vom Desktop-Rechner auf das
Smartphone und umgekehrt wechseln. Eine gute Mischung von Laptop, Smartphone
oder Tablet und der Gebrauch unterschiedlicher Browser haben also geholfen, die
Identität des Nutzers einigermaßen zu verschleiern. Atlas bleibt aber immer am
Mann bzw. an der Frau: Der Dienst überwindet diese Hardware-Barrieren und folgt
dem Nutzer geräteunabhängig und personenbezogen durch die digitale Welt,
sammelt dort eifrig Informationen über die Websites, die er besucht,
Streamings, die er betrachtet, welche Anzeigen von Interesse sind, Besuchszeitpunkt und Aufenthaltsdauer im angeklickten Shop.
Wie
funktioniert das?
Ähnlich wie
Google-Werbeanzeigen platziert Atlas Werbung im gesamten Internet. Diese
Anzeigen erkennen Facebook-Mitglieder anhand ihrer Nutzerkennnummer. Diese
Kennnummer wird einmalig bei der ersten Anmeldung in dem sozialen Netzwerk
vergeben. Sie diente bisher unter anderem dazu, das Verhalten der Mitglieder
innerhalb Facebooks zu verfolgen. Nun nutzt Atlas genau diese Nummer, um
Facebook-Mitglieder im Netz zu identifizieren und sie bei ihren Spaziergängen
durch die bunte digitale Welt auf Schritt und Tritt zu begleiten, zuzuschauen,
welche Interessen sie haben, wo sie Einkaufen, was sie kaufen, ob sie bevorzugt
Schnäppchen machen oder auf Qualität achten - alles ist interessant und wird
gesammelt. Denn je mehr Atlas weiß, desto gezielter kann Werbung platziert
werden. Gibt es Kinder? Ein Einkauf von Kinderbekleidung, Spielzeug oder
Ratgeberliteratur verrät es. Gibt es Eheprobleme? Vielleicht, weshalb sollte
sich eine „verheiratete“ Person sonst auf Single-Börsen tummeln? Vielleicht ist
auch ein neuer Wagen fällig, weil sich die Suchanfragen nach Werkstätten
häufen. Die neuen Facebook-Richtlinien ebnen den Weg, um genau diese
Informationen über das Verhalten im Netz mit den Daten aus dem Facebook-Profil
zu verbinden. Ein Eldorado für Werbetreibende. Entblößend für Nutzer.
Welche
Informationen sammelt Atlas?
In seinen Richtlinien beschreibt
Atlas sein Vorgehen wie folgt: Wird dem Nutzer eine Werbeanzeige aus dem Atlas-Netzwerk
präsentiert, werden dauerhafte Cookies oder vergleichbare Technologien auf dem Endgerät
platziert. Diese kleinen Dateien erkennen bei jeder weiteren Anzeige aus dem
Atlas-Netzwerk die so gekennzeichneten Geräte immer wieder. Bei jedem Treffen
werden mindestens folgende Informationen gesammelt oder abgeglichen: Die
IP-Adresse des Endgerätes, die Kennnummern der darauf abgelegten Cookies,
individuelle Identifikationscodes, die mit dem Browser oder Endgerät verbunden
sind, den Browser-Typ und die auf ihm eingestellte Sprache und das Betriebssystem.
Das bewegt sich noch im Rahmen dessen was viele andere Anwendungen im Netz auch
tun. Ebenso registriert Atlas die URL der jeweils betrachteten Seite oder der
genutzten App sowie die genaue Anzeige, die auf der betrachteten Seite oder App
platziert ist, zusammen mit Datum und Zeitpunkt ihrer Präsentation. Darüber
hinaus merkt sich das System auch, welche Produkte und Angebote der
Werbepartner auf der Anzeige zu sehen waren. Klickt der Nutzer auf die Anzeige,
wird auch diese Aktion von Atlas gesammelt und gespeichert. Ebenso wie
Suchbegriffe, die der Nutzer in Suchmaschinen eingibt. Diese zunächst noch nicht
personalisierbaren Daten werden mit Informationen aus dem Facebook-Netzwerk
verknüpft. Hier erfährt Atlas auch, mit welchen Kontakten man bevorzugt
kommuniziert. Bei Online-Einkäufen in den Shops der Werbepartner werden
zusätzlich noch mindestens folgende Daten ergänzt: Alter, Geschlecht oder
Postleitzahl des Einkäufers. Je häufiger ein Facebook-Mitglied also Seiten
besucht, die durch Atlas beworben werden, desto differenzierter wird das Profil.
Es entsteht nach und nach ein digitales Abbild der realen Person im Netz, das
ihrer Kontrolle vollkommen entzogen ist. Genau das ist gefährlich und
widerspricht dem Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung.
Was kann man tun?
Wer sich vor so viel
Neugierde schützen will, muss vor dem 30. Januar handeln. Die sicherste, aber
vermutlich auch die schmerzlichste Lösung besteht darin, sein Facebook-Profil
zu löschen. Wer das nicht übers Herz bringt, sollte radikal alle persönlichen
Angaben löschen, die sich löschen lassen: von Beziehungsstatus und
Verwandtschaftsverhältnissen über Heimat- und aktuellen Wohnort bis hin zu Handynummern,
Schulabschlüssen, oder Arbeitgebern.
Außerdem besteht die
Möglichkeit, auf den Seiten der Network Advertising
Initiative (NAI) oder der Digital Advertising Alliance
(DAA) dem Atlas-Netzwerk seine Einwilligung zur Ausspähung per „opt-out“ zu
entziehen. Beides sind Zusammenschlüsse von Werbetreibenden, die sich gewissen
ethischen Richtlinien verpflichtet fühlen - Google und AOL gehören neben
Facebook und Atlas beispielsweise auch dazu. Ein paar Englischkenntnisse sind
nötig, aber der Vorgang ist einfach. Folgt man dem Link, durchsucht die
geöffnete Seite den Browser nach Cookies oder ähnlichen Markierungen, die zur
personenzentrierten Werbung nötig sind. Ist die Suche abgeschlossen, erscheint
eine Liste der Firmen, die den jeweiligen Browser schon markiert haben. Per
Häkchen kann man schließlich die unerwünschten Begleiter dann kennzeichnen und
entfernen. Leider muss man diesen Vorgang nach jedem Browser Update und jedem
Löschen der Cookies wiederholen, denn bei diesen Prozessen werden auch die
schützenden Cookies gelöscht. Wer die Spione ausgeschaltet hat, sieht zwar noch
weiterhin Werbung, diese fußt aber nicht mehr auf den Daten, die beim Surfen
gewonnen wurden.