Freitag, 30. August 2013

Wir sind da!

Die erste Nacht im neuen Haus. Ich kann es NOCH nicht fassen, dass wir hier sind, dass alles reibungslos geklappt hat, dass das Thema "Eigenheim" vollkommen abgeschlossen und Berlin 600 Kilometer hinter uns liegt. Wir haben dafür fünf Stunden und für 90 Euro Benzin gebraucht, hatten nicht an jeder Abfahrt ihre Ankündigung auf Deutsch UND "Englisch" und konnten unser Unterhaltungsprogramm frei wählen. Schönen Gruß an die Bahn.

Jetzt haben wir noch zwei Tage, um den Inhalt des 18-Tonners in unsere Schränke zu verteilen. JAAAJAAAJAAA - JAAHAAA! Ich weiß. "Leichtes Gepäck" stellt man sich anders vor. Anscheinend gab es den einen oder anderen doppelten Boden. Jetzt ist es auf jeden Fall da - ALLES. Und die Einschätzung des Umzugsplaners, dass "das Auspacken in der Regel nicht funktioniert", war sowas von richtig. Es ist gespenstisch.

Der Fairness halber muss ich sagen, dass die Jungs aus Berlin echt gut waren. Haben zugepackt, mitgedacht und sind sehr behutsam mit den Sachen umgegangen. Dazu waren sie noch angenehm im Umgang. Das muss man sich mal vorstellen.

Ganz anders die Packer aus dem Rheinland. Zugepackt haben sie auch. Bei den Umgangsformen hörte es dann aber auch schon auf und vom Mitdenken will ich lieber schweigen.  ...  ...  ....

NAAAAAIN!!!

Will. Ich. Nicht.

Ich MUSS reden. Sie haben Inliner und Rollschuhe in die Wäschekomode gepackt. Die war dann recht schnell voll UND dreckig. Sie haben zwei Kisten Plüschtiere einfach aufs Bett von Kind Nr.1 gekippt. Sie haben Kinderbücher in die O.B.E.R.S.T.E.N. Bretter der treuen Billys geräumt. Sie haben im Bücherschrank Gesamtausgaben auseinandergerissen und bunt mit anderen Werken gemischt. Und dann haben sie Bücher mit dem Kopf nach unten und dem Rücken nach hinten eingeräumt.
Jetzt mal ehrlich: wie stumpf muss man eigentlich sein???

Und die Krönung kam am Schluss. Einer der Jungs fand irgendwo ein verpacktes Kondom, nahm es hoch und fragte mich - die anderen standen nebendran und tranken Kaffee - "Brauchen Sie das noch?" Ich: "Äh, Nee. Behalt ruhig. Bin 12 Jahre verheiratet....?!!!!!"

Passiert eigentlich NUR MIR sowas? Wenn ja, warum? Stelle ich zu hohe Ansprüche? Ich weiß nicht.

Vielleicht.

Ich will aber nicht rumheulen. Jetzt wird ausgepackt...

Montag, 26. August 2013

Take-Off

7.15 Uhr. Wecker klingelt.

7.30 Uhr. Entferne SCHWARZE Krusten aus der Badewanne

8.00 Uhr. Jetzt kommen sie gleich.

8.30 Uhr. Eigentlich müssten Sie jetzt schon da sein.

8.45 Uhr. Schaaahaaatz, der Umzug ist doch heute, ODER????

8.50 Uhr. Mal anrufen.
"Geschmeidige Umzüge, Herr Superentpannt-lustig am Apparat. Was kann ich für Sie tun?"
"Guten Tag, Frau Zumbrechenflexibel hier. Wir waren doch heute verabredet?!"
"Ja, klar! Ick hab Sie hia uff meener Liste. Die müssten jeden Moment komm'. Wir hamm Sie nich fajessen."
"Schön. Dann bin ich ja beruhigt. Wiederhören."
"Jawoll. Schön' Tach noch."
"Hm. Danke."

8.56 Uhr. Vorhut erscheint, besichtigt das Haus und trinkt gerne einen Kaffee.

9.15 Uhr. 18-Tonner erscheint und ist zu groß für die Auffahrt. Der Gigant wird nun also 24 Stunden die halbe Straße blockieren und sämtliches Mobiliar wird etwa 60 Meter weit zum LKW geschleppt. Die (Ex)Nachbarschaft wird also bestens informiert.

9.16 Uhr. Autos stauen sich kilometerweit. Ortskundige werden gebeten, den Bereich weiträumig zu umfahren.

9.30 Uhr. Erfahre telefonisch vom dramatischen Urtikaria-Anfall von Kind Nr.1, der sogar im Nachtnotdienst behandelt werden musste. Toll. Und bei mir kriegen sie immer nur Magen-Darm.

10.00 Uhr. Kinder-, Schlafzimmer und Bad sind gepackt.

10.15 Uhr. Altkleidersack entsorgt.

10.16 Uhr. Ich organisiere Pizza für fünf Kerle.
"Irgendwelche Sonderwünsche?"
"???"
"Naja - kein Schweinefleisch, gar kein Fleisch, kein Käse..."
"Wieso? Nee. Wir essen alles."
"Alles klar."
Mit so einer Ansage kann ich arbeiten.

11.40 Uhr. Drei Milliarden Kisten sind verpackt und verladen. Der Gipsabdruck der ersten Schwangerschaft liegt mittig auf dem Tisch. Hmmm.

11.50 Uhr. Kaffeepause.

12.10 Uhr. Pizzazeit. Entdecke zum ersten Mal, dass man auch drei TK-Pizzas gleichzeitig in den Ofen bekommt.

12.45 Uhr. Trampolin abgebaut.

13.00 Uhr. Radio Frizz nervt nach drei Stunden BRUTAL.

13.03 Uhr. Fuchskot mit Würmern im Garten gesichtet. Zeit zu gehen.

13.56 Uhr. Drei Meter vor unserem Umzugslaster geht ein Golf in Flammen auf und brennt vollständig aus. Großaufgebot der Feuerwehr rückt an.

MAAAAANN!!! WIR KÖNNEN NICHTMAL NORMAL UMZIEHEN.

13.58 Uhr. 3 Feuerwehrfahrzeuge, ein Polizeiauto und ein Dieseltanklastzug stehen vor dem Haus. Die vier ersten löschen Flammen, beseitigen Gestank und Schadstoffe, erfassen den Vorfall protokollarisch. Der Fünfte versucht, aus der Vollsperrung rauszukommen.

14.00 Uhr. ALLE Nachbarn stehen auf der Straße. Gute Gelegenheit, sich von allen zu verabschieden.

Liebe Kreuzberger, das müsst ihr uns erstmal nachmachen!

14.30 Uhr. Fünf Feuerwehrleute sitzen an der geräumten Unfallstelle in der Sonne und haben viel Spaß.

15.30 Uhr. Nach einer Stunde erfolglosen  Klebeschicht-der-Schreibtischstuhlunterlage-vom-Laminat-schrubben erledigt Herr Zumbrechenflexibel den Job in 5 Minuten mit ein bisschen Bio-Ethanol.

16.00 Uhr. Das Wasser wird aufgrund eines Hydrantenschadens auf unbestimmte Zeit abgestellt.

Ach ja - die oberen zwei Geschosse sind vollkommen leer. Außer den Staubmäusen, versteht sich.

16.39 Uhr. Vom Sofa aus sieht alles noch fast normal aus. Nur das fehlende Trampolin im Garten zeigt an, dass irgendwas im Gang ist.

17.00 Uhr. Alle Schränke sind leer.

17.05 Uhr. Abschiedsplausch mit der Nachbarin. Dabei werden die Wasserwerker beobachtet, die immer noch versuchen, den Hydranten wieder flott zu bekommen.

17.30 Uhr. Möbelpacker machen Feierabend. Bismorgen.

War doch ganz entspannt.

Was machen wir jetzt? Ab nach Mitte, Sundowner trinken.

Sonntag, 25. August 2013

Countdown: EINS

Kinder weg, Haus im Chaos und Herr Zumbrechenflexibel und ich in Mitte, um unseren 12. Hochzeitstag zu feiern. An einem Sommerabend, ohne Kinder in Berlin. Was könnte schöner sein???

Samstag, 24. August 2013

Countdown: ZWEI

Die offizielle Tschüssrunde mit Kindern ist gelaufen. Das war's jetzt. ENDGÜLTIG.

Bei Kaiserwetter auf den Spielplatz an der Malche. Großer Spaß im Wald mit Mücken, Wackelbrücke und Seilbahn. Früher gab es da auch noch Wasser in einem großen gepflasterten Tümpel, das ist jetzt Geschichte. Das Foto links zeigt Kind Nr.1 vor sehr langer Zeit in genau diesem Bassin. Den  malerischen Weg dorthin durch den Tegeler Schlossbezirk werde ich sehr vermissen. Den Spielplatz selbst nicht so.

Dann zum Kiosk auf der Malche, Apfelschorle trinken und Pommes essen. Mit Curry Ketchup. Wird von Kind Nr.2 nicht goutiert. Kind Nr.1 freut sich. Mit Dreirad, Fahrrad und den zwei Fahrern nun alleine Richtung Sechserbrücke. Hoch geht es noch geschmeidig, Mutter schleppt beide Fahrzeuge die Treppe hoch, Kinder freuen sich oben "Oh, guck mal, Mama, das Meer!" und fahren in unterschiedlichem Tempo ans andere Ende. So dann das Problem: Kind Nr.1 will sein Fahrrad alleine runtertragen, wird von mir aber gebremst "S.T.O.P.P.!!! SO-FORT!!! Und bleibt irritiert auf der vierten Stufe mit quer hängendem Fahrrad stehen. Passanten gehen darum herum und stören sich nicht weiter, schieben das Ding auch einfach mal ein bisschen zur Seite. Das Kind schwankt und ich aus Sympathie gleich mit. Ich bin schon an der Kante, um das Fahrzeug endlich an mich zu nehmen, da kreischt Kind Nr.2 panisch von der Mitte der Brücke, wo ich denn sei. "Ich bin hier, fahr einfach weiter!" "WOOHOO!?" "Hier. Fahr noch etwas geradeaus, dann siehst du mich wieder." "ISS KANN NISS!" Endlich greifen zwei beherzte Omis ein. Sie schnappen sich das Fahrrad von Kind Nr.1 und tragen es die lange Treppe hinunter, sodass ich mich um den vermeintlich verlorenen Sohn kümmern kann.

Jetzt zur Greenwichpromenade an den Tegeler See. Dampfer verabschieden, Rentner, Sommerfrischler, Gänse, Schwäne, Enten, Möven und die schwarzen Seevögel mit den gelben Füßen, die beim Schwimmmen immer mit dem Kopf nicken, auch. Dort an den Seespielplatz - für meinen Geschmack genau zwei Spielplätze zuviel an einem Tag. Sich plötzlich wieder daran erinnern, dass bei gutem Wetter maximaler Sozialstress an der Tagesordnung ist und andere Kinder immer doof sind. Und die Eltern erst. Dass Fallkies super ist, um bei seltenen Stürzen von den Geräten das Schlimmste zu verhindern, aber immer und jederzeit die Schuhe der Eltern ruiniert. Dass man keines Falls gemütlich mit anderen Eltern schnacken kann, sondern sein Kind immer vor den assigen anderen Kids schützen muss. "Na?? Trauste dir nich zu rutschen, Keule?" "Keule" war mal Kind Nr.1. "Dett is janz einfach, weeste? Da setzte dir hier so druff, wa?" Nimmt mein kleines, zartes Kind und rammt es mit dem Windelhintern auf die Rutsche. "Dann hälste dir hia jut fest, fastehste? Und dann jehts ooch schon los!" Und schubst die Süße mit Kawuppdich die Rutsche runter. Die war so überrascht, dass sie erst unten angefangen hat, zu schreien. Zwei Jahre später hat dasselbe Kind nach vielen Umdrehungen auf dem Karussel in den Sandkasten gekotzt, was von einer pragmatisch veranlagten Freundin mittels Buddelschüppe schnell untergehoben wurde. Kind Nr.2 hat am Rande ebend dieses Sandkastens seinen ersten Sommer verbracht. Allerdings im Tragetuch. Bei gefühlten 100 Grad im Schatten. Heute wehte eine steife Brise (hatte ich auch vergessen) und pustete uns alle gut durch. Voll verfroren auf zum nächsten Tagesordnungspunkt:

Nach dem Sechsuhrläuten der nahem Dorfkirche nach Alt Tegel. Dort noch einmal am Kindergartentor vorbei und die von Platanen überschattete Flaniermeile runter zum Eisladen Florida. "Das iss niss Florida. Hier gipps ja kaine Krokodile!" Alles klar, Schatz. Schoko oder Stracciatella?" "Ssoko. Mit bunten Streseln und einer Glitzerpalme." Ein letztes Mal auf der Holzbank um die große Platane sitzen, Eis Löffeln, damit die Kerntemperatur auf 0 Grad absenken und dann die mit Staub, Eis und Feuchttuchkleber panierte Brut ins Auto verfrachtet. Vorher noch die längsten Freunde verabschiedet.Ihr seid toll. Alle vier.

Dann zu Hause die Kinder ein letztes Mal in den Whirlpool gesetzt und mit sehr viel Seife, Shampoo und mechanischem Abrieb runderneuert. Letzes Abendritual im eigenen Haus. Morgen werden sie schon fort sein.

Das ist traurig.

Freitag, 23. August 2013

Countdown: DREI

"Die Illusion von Zeit und Raum" - eine künstlerische
Etüde zur pastosen Maltechnik aus Klasse 12. Das
kommt raus, wenn man alle drei Jahre seine Garage
entrümpelt.Mal gucken, was nächstes Mal erscheint.
Langsam sind wir wirklich raus. Heute der allerletzte Gang in die Kita, Kind Nr.2 abholen, zu Freunden, Kind Nr.1 abholen und auf dem Heimweg den treuen Nachbarn für Montag noch auf ein Tschüss-Bier eingeladen. Wobei mir einfällt, dass wir dann gar keine Möbel mehr haben werden, auf denen wir das zu uns nehmen können. 

Ok. Stehparty. Man muss halt auch mal ein bisschen improvisieren bei gesellschaftlichen Anlässen. Streng nach Protokoll ist eh nur für Royals. Die leeren Flaschen werden später im Garten vergraben. Wenn überhaupt. Man wird so wahn-sin-nig entspannt, wenn man aus der Eigentümernummer 'raus ist. Toll. 

Was mich allerdings nicht davon abgehalten hat, heute stundenlang mit dem Fön über doppelseitigem Klebeband zu hocken, um unseren zu Tode gespielten, braunen Nadelfilzteppich zu lösen. RÜCKSTANDSFREI! Total irre. Fortschritt: 0,5 m/h. Körperliche Folgen: wunde Fingerkuppen und schmerzende Knie. Defekter Fön. Naja - nicht ganz. Nach 20 Minuten Heizpause ging er dann wieder. Die Lektion aus der Sache: Nie wieder doppelseitiges Klebeband, wenn man die Absicht hat, es irgendwann wieder zu entfernen. Oder man zieht aus und hinterlässt keine Nachsendeadresse. Da fällt mir ein - das haben unsere Vorbezitzer so gemacht. Bei der Post, die kam, ist klar, warum.

Wir lösen uns also jetzt von Berlin, um uns vorübergehend - sagen wir mal aus dem Bauch heraus: für drei Jahre - im Rheinland niederzulassen. Was interessant ist: je näher der Abschied kam, desto intensiver wurden die sozialen Aktivitäten. Man könnte sagen geradezu manisch. Hätten wir das im ganzen letzten Jahr so gemacht, wären wir aus dem Feiern nicht mehr raus gekommen. Und wahrscheinlich nach wenigen Wochen am Stock gegangen. Oder an Vitaminmangel gestorben, bei dem ganzen Kaffe- und Kuchengedöhns. Vielleicht auch eine Mischung von beidem. Jedenfalls ist die Zeit der Treffen jetzt vorbei. Ich bin ehrlich gespannt, wen wir tatsächlich nochmal wiedersehen werden. Meine Absicht, zumindest schriftlich Kontakt zu halten, ist aufrichtig und ehrlich. Ich bin gespannt, was sich einhalten lässt. 

Die persönlichen Abschiede sind dieser Tage die größte Bürde. Die Logistik Nebensache. Darum beneide ich die richtigen Nomaden aufrichtig: Sie haben ihre Lieben immer mit in der Karawane. Es ändern sich dann zwar Kulisse, die Jagd- und Weidegründe, vielleicht auch das Wetter, aber die emotionalen Bezugspunkte bleiben konstant. Klingt gut. Wenn ich mir vorstelle, ab nächster Woche wieder die "Hallo-ich-bin-also-die-Neue-sollen-wir-Freunde-sein-Nummer" durchzuziehen, wird es mir ganz schlecht und ich erwäge ein Eremintendasein. Ganz für mich. Im tiefen Wald. Zwischen Düsseldorf und Köln. Vielleicht errichte ich auch so'n Biwak am Rhein. Ach nee - da sind ja noch die Kinder. Mist.

Naja. Wie geht's weiter? Morgen kommt noch die ganz persönliche Tschüss-Runde durch Tegel. Und dann war es das. ENDGÜLTIG. Übermorgen werden Kind 1 und 2 gemeinsam zu den Großeltern geschafft. Krass. Bis jetzt fühlt sich noch alles an, wie ein ganz normales Wochenende. Ich bin gespannt, ab wann genau es sich tatsächlich real anfühlt, wegzugehen. Wenn die Kinder weg sind? Wenn die Packer kommen? Wenn wir im Auto nach Westen sitzen? Im Stau vor Dortmund? Im neuen Haus? Nächstes Jahr?

Schätze, wenn der Kram in Kisten verschwindet. Wenn es doch erst soweit wäre.

Donnerstag, 22. August 2013

Countdown: Vier

Ohne Worte schön.
Es ist geschafft. Der letzte Tag Transnationsehe ist zu Ende. Also noch nicht ganz, aber am Ende dieses Textes. Denn dann werde ich schlafen gehen und wenn ich wieder aufwache, wird Herr Zumbrechenflexibel zu Hause angekommen sein und bis auf Weiteres nicht mehr zu anderen Ufern aufbrechen. Zumindest nicht mehr alleine. Egal, wo es ihn hintreibt, am Ende des Weges wird er seinen Trolley öffnen und MINDESTENS ein Kind darin finden. Ich schwör'!

Keine Strohwitwe mehr. YAY!

Ich kann das noch gar nicht fassen und bin ein bisschen euphorisch. PROST!

Heute habe ich zum letzten Mal den Abend allein bestritten und beide Kinder bettfein gemacht. Sie müssen das gewittert haben, denn heute haben sie nochmal alles gegeben. Von "Ich habe keinen Hunger" um sechs bis "Ich habe sooo Hunger" auf dem Weg ins Bett, Zahnpasta auf den Boden spucken (ist euch eigentlich schon mal aufgefallen, dass diese Milchzahnpolitur echt verdammt hartnäckig auf Keramikfliesen klebt?) natürlich nicht waschen, Nuckel vermissen und die Gutenachtgeschichte alle zwei Sekunden torpedieren. Wenn das demnächst wieder passiert, kommt folgender Satz quasi von selbst: "Schaaahaaaatz, kannst du dich bitte mal darum kümmern und dir die Laune komplett für die nächsten drei Tage versauen lassen? Ich bin gerade total intensiv mit DEM ANDEREN Kind beschäftigt. Ich kann gerade wirklich nicht. ÄCHT."

Oder nicht mehr alleine abends unproduktiv vor der Glotze sitzen, sondern das zusammen erledigen. Oder morgens jemanden haben, den man harmonisch anschweigen kann. Ach nee. Da sind ja noch die anderen zwei. Oder wenn der Tank/Apfelsaft leer ist/die Wickeltasche nicht dabei/ Nuckel weg/Laufrad vergessen etc. jemand anderem bittere Vorwürfe machen können.

Das wird toll. Ick freu mir so!

Krass: Heute in einer Woche werden wir im neuen Heim sitzen und Herr Zumbrechenflexibel wird total fertig sein, weil er neben der Einrichtung der neuen Hütte auch noch die Leerung und Übergabe seiner Düsseldorfer Bleibe deichseln muss. Möchte da nicht mit ihm tauschen. Geht um richtig schwere Sachen schleppen und so. Das ist nix für mich. Wenigstens da bin ich ganz Mädchen. Da mache ich dann lieber Pizza für alle. Und einen schönen heißen Tee.

PS: Heute hat Kind Nr.2 in der Kita seine Abschiedsparty gefeiert. Stilecht mit Superschokoladenkuchen, unter Piratenwimpeln und mit allen seinen Freunden. Muss ein rauschendes Fest gewesen sein, denn hinterher wähnte man sich ein Jahr älter. Man habe ja Geburtstag gefeiert. Man wolle auch die Freunde mal mit in die neue Kita nehmen und sie ihnen zeigen. Bei einem Ausflug. Würde ich mich nicht gerade total egoistisch so wahnsinnig freuen, müsste ich jetzt heulen. Armer kleiner Kerl! Hoffentlich stehen schon viele neue Freunde parat, die nur auf den kleinen Piraten gewartet haben und ihn freudig in ihrer Mitte aufnehmen, wenn er da ist.

Mittwoch, 21. August 2013

Countdown: Fünf

Salzteigrakete auf Ceranfeld.
Noch fünf Tage, dann ist Takeoff. Ich. Kann. Das. Nicht. Fassen. ECHT NICHT!!! 

Ich komme mir vor wie ein Raumpilot, den man vor einem Jahr - nein: elf Monaten, wir wollen ja nicht übertreiben - in seine Raumkapsel geschnallt hat. Seit dem sitzt er da, denkt darüber nach, wie sich der Start wohl anfühlt, ob ihm schwindelig wird dabei, wodurch die Entscheidung zum Start fällt, ob es Faktoren gibt, die ihn beschleunigen/verzögern, ob er zwischendurch mal aussteigen kann und ob er dann wohl wieder zurückkommt, ob es grundsätzlich eine gute Wahl war, Astronaut zu werden, wenn man dafür solange Zeit auf einem blöden Sessel verbringen muss.Fragen über Fragen über Faregn. Aber er hat ja ZEIT.

Dann  sitzt er ewige Monate da rum, sein Hintern hat inzwischen die Form des Sessels angenommen, er glotzt etwas trüb in den Himmel, der mal blau, mal voller Sterne ist und merkt gar nicht, dass ihm der Start als mögliche Realität völlig entglitten ist. Er kann ihn nur noch theoretisch denken. Also so als Gedankenexperiment. Was wäre, WENN dieses Ding hier tatsächlich abheben würde? Keine Ahnung. Wann sollte es das doch gleich tun? Vergessen. Naja. Was war gleich die Frage? Pfffffffft... Deswegen bleibt er auch vollkommen unbeteiligt sitzen, wenn der echte Countdown beginnt. Sein Puls bleibt irgendwo an der 75 hängen, die Gedanken wandern hier- und dorthin und so am Rande bekommt er mit, dass in seinem Kopf irgendwer total penetrant rückwärts zählt."Was soll das eigentlich?" denkt er vielleicht. "Sind wir in der Sesamstraße hier?" Und sein Verdacht würde sich bestätigen, flöge in diesem Moment Super-Grobi durchs Bild. 

Der Zähler steht jedenfalls auf fünf. Das ist genau die Mitte zwischen Beginn der heißen Phase und ihrem unabwendbaren Ende. Vor der Fünf kommen neun, acht sieben und sechs. Danach nur noch die unglaublich mystischen Zahlen des Ursprungs - vier, drei zwei und eins. Dann geht es los. BOMBASTISCH, oder??? Und genau dazwischen - in der Mitte eben - hängt die Fünf. Oder sie thront und markiert das Bergfest.

Fünf. 

Komische Zahl. Irgendwie voll unterrepräsentiert. Oder? Ich meine - bei den anderen Zahlen denkt man an irgendwas. So zwei: Paar, drei: Trinität, vier: Kleeblatt oder quadrat von zwei, sechs: zwei mal drei und so weiter. Aber FÜNF? Da kommt bei mir erst mal nix. Deswegen erstmal bei Wikipedia gegoogelt. 

Als erstes steht da "Die Fünf ist die natürliche Zahl zwischen vier und sechs. Sie ist ungerade und eine Primzahl." Aha. Da komme ich noch mit. Und dann stehen da noch ganz viele andere ganz schlaue Sachen, wie 
"Pentadaktylie, die Fünfstrahligkeit oder die Fünffingrigkeit, bezeichnet die grundlegende Untergliederung der einzelnen Extremitäten der Wirbeltiere in je fünf distale, also endständige, Fortsätze." 
Boah! Da ist mir aufgegangen, dass die Fünf 'ne echt krasse Nummer ist. Nimmt man nur die Redensarten, hat sie zwar immer was mit Beschiss, Ungemach oder "Wahrheitsbeugung" zu tun: "fünftes Rad am Wagen sein", "Fünfe gerade sein lassen", "X für ein U vormachen" (wie letzteres mit der Fünf zusammengeht: Guckst du Wikipedia) ABER: Die Fünf macht es endlich möglich, Äpfel mit Birnen UND Seesternen zu vergleichen: sie sind alle fünfstrahlig strukturiert. Toll, oder? 

Jetzt kommt aber das mit Abstand Interessanteste an ihr ist ihr sprachlicher Ausnahmestatus: Sie ist neben "Hanf" und "Senf" das einzige Wort in der deutschen Sprache, das auf "nf" endet. Allein diese Erkenntnis war den ganzen vorangehenden Sermon wert.

Und was macht das jetzt mit dem Raumfahrer in der Kapsel? Keine Ahnung. Der wartet weiter auf den Start. Und hält ihn nach wie vor für unwahrscheinlich, weil er ja bis jetzt noch nicht stattgefunden hat.

Dienstag, 20. August 2013

Countdown: Sechs

Klar. Wenn man in einer Stadt lebt begegnet man Menschen. DAUERND. Diese Begegnungen reihen sich aneinander, überlagern sich, überstrahlen alles andere oder gehen einfach unter. Manche sind interessant, andere belanglos einige bedeutsam. Ein paar gehen in die Tiefe, sind verbindlich, andere bleiben an der Oberfläche und sind bedeutungslos. Dazu gesellen sich geschäftliche, absurde, banale und - jaaajaa - leider auch peinliche Begegnungen. Aber in ganz seltenen Fällen gibt es auch die wunderlichen Begegnungen. Die finde ich ja am besten.

Von der außergewöhnlichsten Begegnung meines Lebens habe ich ja schon im Zusammenhang mit Else Methner geschrieben. Die ist nicht zu toppen - zugegeben. Schade eigentlich, dass mein Leben in dieser Hinsicht schon SO früh vollendet ist... Hmm. Naja. Aber trotzdem gibt es noch andere unglaublich interessante Erscheinungen, mit denen ein Gespräch sicher aufregend gewesen wäre. Auf die eine oder andere Weise. Vielleicht auch aufreibend.

Es gibt da zum Beispiel diesen alten Mann, den ich jetzt seit knapp drei Jahren fast täglich auf unserer Straße sehe. Er steht da bei jedem Wetter, im Sommer und im Winter. Immer innerhalb eines etwa hundert Meter langen Straßenabschnittes. Immer. Ganz alleine. Trotzdem spricht er von Zeit zu Zeit oder bewegt zumindest die Lippen (ohne Head set - ich schwör'!). Manchmal wechselt er die Seite. Dazu muss man sagen, dass wir nicht in Mitte wohnen, wo sich irgendwie dauernd was Bemerkenswertes am Straßenrand abspielt. Gar nicht. Es handelt sich hier um eine einspurige Durchgangsstraße aus Brandenburg nach Reinickendorf und alle 20 Minuten kommt ein Bus. Hier steht er also wie ein Wächter in geheimnisvoller Mission.  

An der etwas schiefen, leicht gebogenen Haltung, den fahrigen Bewegungen der Arme und dem entrückten Gesichtsausdruck erkennt man schnell, dass sein Blick in die Welt sicher zu vollkommen anderen Erkenntnissen führt, als der meinige, der meiner Freunde und - ich weiß, dass das jetzt eine ungeheuer anmaßende Annahme ist, ich trau mich aber trotzdem - der der meisten anderen Menschen. Früher hätte man einfach gesagt, dass er leicht irre ist und alle hätten gewusst, wovon die Rede ist. Das darf man heute aber nicht mehr, sondern muss rumeiern und Missverständnisse in Kauf nehmen. Ich kenne den politisch korrekten Ausdruck nicht, versuche es aber einfach mal mit "ein anhaltend mental herausgeforderter Mensch". Hört sich bombig an. Oder?! Jawoll. Also weiter.

Dieser Mann steht hier nun in der gesamten Zeit, die wir hier wohnen und bewacht täglich die Straße. Oder uns. Oder wen anders. Oder er wartet beharrlich auf einen bestimmten Bus, der bisher aber noch nicht gekommen ist. Das ist fast poetisch. Möglicherweise saß in einem dieser Busse einmal die Liebe seines Lebens und er hat sie verpasst. Jetzt hofft er seit dreißig Jahren, dass sie noch einmal an ihm vorbei fährt. ... Ach nee. Das ist kitschig. 

Es ist auch denkbar, dass es ihn gar nicht wirklich gibt und er nur eine Emanation meiner überspannten Fantasie ist. Einer neutralen überspannten Fantasie, denn er sieht überhaupt nicht gefährlich, aggressiv sonstwie verkommen oder abstoßend aus. Im Gegenteil: Er trägt immer saubere Kleidung, Körper (soweit sichtbar), Gesicht und Haare sind immer sauber, letztere sogar geschnitten und frisiert. Vermutlich residiert er nachts in der nahegelegenen Diakonie, wo man für ihn sorgt und ihn nach besonders heißen oder kalten Tagen wieder aufpäppelt.

Aber jetzt zurück zu der Begegnung. Die sich in der echten Wirklichkeit - also der dinglichen Realität - natürlich nie ereignet hat. Denn sonst wüsste ich ja, warum er da steht und was seine Mission ist und das ganze Ding wäre vollkommen langweilig. Neinein. Die eigentliche Begegnung beschränkt sich auf die bloße Wahrnehmung dieses Mannes, der wie eine Spukgestalt in ein räumlich fest umrissenes Arreal gebannt ist und diese unbändige Neugier, warum er immer dort ist. Was er denkt, worauf er wartet und was er sieht. Aber mal ehrlich: Ich traue mich nicht. Wer weiß, was er mir dann sagt? Wie er reagiert?

Was würdet ihr machen? Interessiert mich ehrlich!

Vielleicht frage ich ihn wirklich noch. Wahrscheinlich wird er dann grinsen und sagen "Mensch, bin ich froh, dass Sie mich nochmal ansprechen. Ich habe mich nämlich schon seit Jahren gefragt, warum Sie jeden Tag dieselbe Strecke fahren und mich dabei immer so komisch angucken. Ich habe schon gedacht, sie wären eine Freigängerin der Diakonie. Naja. Dann hätten wir das ja glücklicherweise geklärt. Guten Umzug."

Montag, 19. August 2013

Countdown: Sieben

Blind für die schönen Seiten seiner
Stadt, wenn man sie immer vor
Augen hat? Völlig undenkbar!
Vor langer, langer Zeit war ich mal in Rom. Ich bin wie auf Droge von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten getaumelt, immer mit vollkommen verstrahltem Blick - und konnte es gar nicht fassen, dass die total doofen Römer bei der Busfahrt auf der Via dei Fori Imperiali vorbei an Forum Romanum und Kolosseum ihr Äquivalent der Bildzeitung gelesen haben und nicht beim Anblick jedes antiken Steinhaufens in frenetischen Jubel ausgebrochen sind. OK. Bin ich auch nicht. Jaaahaaa! Aber ich habe ja auch kein mediterranes Temperament. Bin eine kaltblütige Nordeuropäerin mit eher zurückhaltenden Begeisterungsbekundungen. Wenn überhaupt. Kurz: Ich verhalte mich im Süden ganz und gar erwartungsgemäß: sachlich, besonnen und vollkommen humorlos. Auf weiße Socken und Sandalen verzichte ich aber. Soviel Individualität muss sein.

Naja. Ich wollte aber über die ignoranten Römer sprechen. Leben in der großartigsten Stadt der Welt, stehen an Monumenten aus der Römerzeit und warten gähnend auf den Bus. Oder brüllen in ihr Handy. Oder machen sonst irgendwas total Triviales, was sie auch in Deutschland erledigen könnten. Ich habe mich damals gefragt, wie die Römer - also die heutigen - so mit den Sehenswürdigkeiten ihrer Stadt umgehen. Ob die zum Beispiel wann immer sich die Gelegenheit bietet, mal in die Vatikanischen Museen gehen. Oder sich immer neue Perspektiven des Kolosseums erschließen. Oder ob sie sich jedes Wochenende ein anderes Monument vornehmen, um es eingehend zu studieren. Oder ob sie einfach nach Feierabend die Rollos runterlassen, sich 'n Bier holen und die Glotze anschmeißen.

Große Fragen. Damals. Heute kenne ich die Antwort. Denn ich habe in unserer Metropole gewohnt und mich ähnlich ignorant verhalten wie die Römer Italiens. Wahrscheinlich hat jeder Berlin-Tourist an einem Wochenende mehr Block-Buster gesehen als ich in knapp sechs Jahren. Die größten Versäumnisse auf meiner Liste der 100 Sehenswürdigkeiten Berlins, die man vor seinem Tod gesehen haben sollte, sind: 
  1. Reichstag von innen und oben
  2. Gedächtniskirche von innen
  3. Fernsehturm von oben
  4. Checkpoint Charlie
  5. eine echte Currywurst
Könnte schlimmer sein. Jetzt erstmal Zeitung lesen. Alles so schön bunt hier...

Sonntag, 18. August 2013

Countdown: Acht

Abschiedsparty gefeiert, Hände geschüttelt - viele davon - und auch der letze Rest vom Fest ausgekehrt. Jetzt könnte es eigentlich losgehen. Alles eingestielt, von allen verabschiedet, mit allem irgendwie durch und jetzt: LOS! Denkste. Erst in acht Tagen. Bis dahin: Luft anhalten.

Es ist zum verrückt werden. Acht Tage vor dem Abflug tut hier alles so, als würde sich nie etwas ändern. Eingerastet auf der Murmeltierspur. Herr Zumbrechenflexibel verlässt wie immer sonntags um 16.48 Uhr das Haus, ein Disney-Film geht auf Sendung, später das übliche Abendprogramm. Mit einem vollkommen ausgeruhten Kind Nr.2. Feierabend erst gegen 22 Uhr. Noch fünf Abende in Eigenregie, dann ist's geschafft.

Ich werde das Gefühl nicht los, als hätte ich etwas Elementares vergessen. Einfach übersehen. Ich habe ständig das Gefühl, von hinten beobachtet zu werden. Von meinem eigenen Unterbewusstsein. Was? Paranoid? Nein. Auf gar keinen Fall! Das Unterbewusstsein sendet laufend SOS, weil ihm offenbar alleine die existenziell wichtigen Fakten bekannt sind.

Im Traum spielen sich deswegen Szenen wie die folgende ab: Das Haus ist leer, alle Kisten gepackt verladen und durch die Republik gekarrt. Dort treffen wir die Spediteure am Straßenrand, Warnblinke aktiviert und uns zu sich heranwinkend. Sie halten die Auftragspapiere in den Händen und suchen etwas. "Haloo, gut, dass Sie da sind." Ich: "Ja. Was gibt's denn?" "Naja. Nur 'ne Kleinigkeit. Hier in den Papieren steht gar nicht drin, wo wir ausladen sollen. Wo genau soll's denn hingehen?" "Wie jetzt?" Die Stimme bewegt sich mit der ganzen Szenerie irgendwo an den Horizont der Wahrnehmung. Dazu tunnelt's. Die Knie werden weich, denn langsam aber sicher sickert die Erkenntnis durch, dass wir keine Adresse angegeben haben, weil es keine gibt. Wir haben vergessen, dass wir irgendwo wohnen müssen. Verdammt. Wie konnte das nur passieren?! Oder beim Blick in den Fond stellen wir fest, dass die Kinder noch in Berlin sind. "Ah! DESWEGEN war die Fahrt also so ruhig..."

Die möglichen Szenarien sind so vielfältig wie bedrohlich. Aber sooft ich die Listen auch durchgehe, es ist nichts zu finden, was auch nur entfernt diesen Durchschlag hätte.

Nochmal: Kinder in Stadt B untergebracht, Haus gesichert, Mobilität und Kommunikationseinrichtung installiert, Eigenheim veräußert, Spedition gebrieft UND beauftragt. Für Entrümpelung gesorgt. Letzten Friseurtermin gemacht. Fehlt da nicht noch was? Also was von Bedeutung?

Nee.

An Pupskram diese Woche noch zu erledigen:
  • Müllabfuhr abbestellen
  • Wasser, Strom und Gas kündigen 
  • Gebäudeversicherung kündigen
  • Nachsendeauftrag stellen
  • Sprachlerntagebuch von Kind Nr.2 aus der Kita mitnehmen
  • erste Schulaufgabe zu Schule B schicken
  • individuell gefertigte Schultüte bestellen
  • Hausübergabe eintüten
  • einatmen
  • ausatmen
  • Koffer packen
  • tanken
  • Schlüssel hinterlegen
FERTIG.

Ganz einfach.

Oder???

Samstag, 17. August 2013

Countdown: Neun

Lauer Sommerabend 2009 als am Tacheles noch anderes stattfand als Straßenstrich. Oder so.
Heute startet der Countdown. 
Noch neun Tage Berlin. 

Zeit, Bilanz zu ziehen. 

Heute: Die Bezirke, in denen wir in den letzten sechs Jahren (knapp) - etwa 2.100 Tage gewesen sind. Das sind überraschend viele, nämlich 30. Der Schwerpunkt liegt eindeutig Nordwesten, gefolgt vom gesamten Westen. Der äußerste Osten ist kaum vertreten. Der Nordosten bleibt weiß.
 

ALT TEGEL
Borsigwalde
Charlottenburg
Dahlem
Friedrichshain
Frohnau
HEILIGENSEE
Hermsdorf
Konradshöhe
Köpenik
Kreuzberg
Lichterfelde West & Ost
Lübars
Marzahn
Mitte
Neukölln
Pankow
Prenzlauer Berg
Reinickendorf
Schöneberg
Spandau
Steglitz
Tempelhof
Tiergarten
Treptow
Waidmannslust
Wedding
Westend
Wilmersdorf
Wittenau

Mittwoch, 14. August 2013

Virtuell wird analog

OK. Darf ich? Bitte?? Und fragt mich
nicht, was das Bild mit dem Text
zu tun hat. Weiß ich auch nicht.
Was wirklich toll ist: Wenn Pläne funktionieren. Meistens merkt man das leider gar nicht. Denn reibungslose Abläufe fallen aus dem Wahrnehmungsraster. Registriert werden nur die Störungen. Oder hat bei der Deutschen Bahn schon einmal jemand die Reisen gezählt, bei denen alles ok war? Also bei denen der Zug pünktlich kam, der Kaffee heiß und der Sitznachbar nicht doof war? Herr Zumbrechenflexibel darf an dieser Stelle schweigen, denn durch die rund 500 Stunden, die er mittlerweile in Zügen verbracht hat, dürften schon die hochfrequenten "englischen" Durchsagen ("Senk juh foa tschuhsing Deutsche Bahn thudäi!") des Zugpersonals als schwerwiegende Panne erlebt werden.

Also: Pläne, die funktionieren, entgehen meistens der Dokumentation, weil es eben auch keine Reibungspunkte gibt, die Aufmerksamkeit fordern. Das heißt: das Gute flutscht einfach durch den Filter, weil es nicht stört. Blöd, oder? Wer weiß, was mir im Leben schon alles geglückt ist und ich hat es schlicht verpasst? Schreckliche Vorstellung. Ich kann mich ja auch nicht daran erinnern... Da hätte ich mir am laufenden Band auf die Schulter klopfen und mich großartig fühlen können, aber hab's verpasst. Mist.

Ich wäre nur fast auch in diese Falle getappt. FAST. ABER ich habe heute einfach mal ein paar Wochen zurück geblättert und festgestellt, dass alles einfach grandios geklappt hat und wir uns jetzt tatsächlich auf der Zielgeraden bewegen. Heute in zwei Wochen werden unsere Sachen im Rheinland ausgeladen und montiert sowie wir dort sein. Der Weg bis hier war wider Erwarten ein Spaziergang, weil ALLES REIBUNGSLOS FUNKTIONIERT HAT.

1. Kind Nr. 1 wird in NRW und nicht in Berlin und damit drei Wochen später als hier eingeschult.
2. Kind Nr. 1 kommt auf eine offene Ganztagsschule und ist damit auch nachmittags bestens aufgehoben.
3. Kind Nr. 2 kommt in eine aufgeräumte Kita mit klarem pädagogischem Konzept und drei Ziegen.
4. Familie Zumbrechenflexibel bezieht ein großzügiges Domizil aus den 1930ern mit Gästelounge, funktionstüchtigem Luftschutzkeller und heizbarer Blockhütte mit Grillplatz.
5. Gegenüber befindet sich die Nervenheilanstalt - gut, weil kurze Wege.
6. Das Berliner Haus ist zum Wunschpreis verkauft.
7. Nur noch sechs Abende Strohwitwendasein.
8. Entrümpelung Restrukturierung des Inventars geht zügig voran.
9. Kind Nr. 2 findet es mittlerweile total cool, "ins Gras zu pinkeln" und braucht Windeln zur noch in Teilzeit.



Alles, was vor sieben Wochen also noch als wünschenswerte Möglichkeit im Raum stand, ist jetzt gute Realität. Virtuell wird analog. Konzeptionell/theoretisch zu verdammt konkret. ZU konkret. Da sickert so langsam durch, was schon seit WOCHEN Thema ist. Ende eines Lebensabschnitts, Shift zum nächsten. Einfach so. Weil es sein muss und die Weichen entsprechend gestellt sind. Bisher dachte ich, dass die im Faktischen verhaftete Wahrnehmung digital arbeitet. Das, was ist, wird prozessiert, der Rest abserviert. Null oder eins - keine halben Sachen. Schön wär’s. 

Tatsächlich stellt sich jetzt heraus, dass die Wahrnehmung doch nicht so doof ist, wie ich dachte. Dass sie schon mitschneidet, dass jetzt die Tschüss-Wochen angefangen haben. So echt. Dass bei bestimmten Leuten/Orten/Terminen ein Wiedersehen in Berlin einfach nicht mehr stattfinden wird. Ganz einfach. So habe ich zum Beispiel heute wirklich zum letzten Mal den gelben Sack rausgehängt. Gestern war Müll und davor Bio dran. Wenn die das nächste Mal kommen, sind wir weg und unser Nachbar kann solange am Fenster stehen und feixen wie er will. Ich werde es NIE MEHR VERPASSEN, den Müll rauszustellen. Oder beim Frisör. Oder bei der Post, der einen Tankstelle, der Mall, dem Spielplatz am See, dem Pavillon… 

Mann, ist DAS anstrengend. 

Aber wie gut, dass das gerade mein einziges Problem ist.

Ich werde mir jetzt mal ausgiebig auf die Schulter klopfen. Macht ja sonst keiner. 

Freitag, 9. August 2013

Totale Überwachung? Gibt's doch gar nicht...

Liebe Online-Werbung-Schaffende - ach nee!
Liebe Algorithmen, Cookies und Programmierer,

ich danke euch ganz herzlich für die permanente und überall eingearbeitete Empfehlung, welchen Schulranzen ich für mein Kind Nr.1 anschaffen soll. Das ist wirklich total lieb von euch. Ich finde das Modell "Easy II" ganz groß und auch die Designs "Paradise", "Lovely Cat" und "Einhorn" sind echt so richtig weit vorne, aber ihr habt was Entscheidendes nicht mitgeschnitten: Der Drops ist gelutscht. Der Ranzen ist schon gekauft und zwar ein vollkommen anderes Modell. Schwamm drüber. Ihr könnt jetzt jedenfalls zu wem anders gehen und dem die Ranzen zeigen. Vielleicht habt ihr ja da mehr Glück.

Ich bin jedenfalls beruhigt, dass ihr doch noch nicht alles wisst. Zumindest die Farbe nicht. Und beim Modell liegt ihr auch sowas von daneben. HA! Von wegen "Totale Überwachung"! Nixkönner seid ihr. ALLE!!!

So. Schatz - pack die Koffer, ich nehme die Kinder. Wir müssen mal für 'ne Weile untertauchen!


Mittwoch, 7. August 2013

Sechs Sätze, die alle Eltern kennen sollten

Die Eltern von heute sind total doof. Echt. Das wissen alle. Und am besten die Eltern von gestern. Wir Heutigen scheitern auf breiter Front, wenn es darum geht, die Brut sauber, gehorsam und leise zu halten. Dabei sehen wir selbst aus wie die letzten Hänger, lassen unseren Haushalt verkommen und machen grundsätzlich sowieso alles falsch. Und zwar SO falsch, dass man uns jederzeit darauf hinweisen darf. Mit Nachdruck. Dabei braucht man auch die grundlegenden Regeln der Höflichkeit nicht einzuhalten.

Ich weiß nicht, wie oft ich im Vorbeigehen von wildfremden Leuten auf meinen partiellen oder Totalausfall als Elternteil hingewiesen worden bin. "Also so'n Kleid bei DEN Temperaturen - das hätte es bei UNS ja nicht gegeben." Oder bei 30 Grad im Schatten: "Zieh'n Sie dem Kind doch mal was an, das holt sich in dem Hemd doch den Tod!" Oder hoch fieberndes Kind Nr.1 sitzt im Kinderwagen, man ist auf dem Weg zum Arzt: "Na, meinen Sie nicht, dass die schon alt genug ist, um selber zu laufen!?" Oder von VOLLKOMMEN FREMDEN als "MUTTI" angeredet zu werden.

Sich in diesen Situationen auf spontane UND geistreiche Antworten zu verlassen, ist eine schlechte Strategie. Denn während man noch nach Luft schnappt, ist das Gegenüber längst weg. Weil das doof ist, habe ich mir für die fünf Standardsituationen Sätze zurechtgelegt, die ich dann trotz X geschmeidig raushauen kann, um die eben überranten Grenzen wieder zu befestigen, ohne wirklich beleidigend zu werden.
  1. Ungefragte Einschätzung des kindlichen/elterlichen Verhaltens:
    Wie gut, dass Ihre Meinung hier gerade überhaupt nicht gefragt ist.
  2. Feststellung eines Trotzanfalls "Na - da hat wohl jemand einen kleinen Bock?"
    Sehr gut beobachtet. Aber gucken Sie sich erst mal das Kind an!
  3. Feststellung des elterlichen Versagens beim Trotzanfall:
    Wie gut, dass Sie so erfahren/kompetent sind. Dann können Sie mir sicher kurz zeigen, wie diese Situation zu meistern ist.
  4. Pöbelei an der Kasse:
    Wenn Ihnen das hier zu lange dauert, können Sie mir ja beim einpacken helfen.
     
  5. Mit dem Kinderwagen vor der stehenden Rolltreppe:
    Entschuldigung, könnten Sie mir bitte mit meiner Handtasche behilflich sein? Ich trage in der Zeit den Kinderwagen.
  6. Von wildfremden Personen als "MUTTI" angesprochen werden:
    Damit hier eins klar ist: Mich sprechen nur zwei Personen mit Mutti an - und die sind beide höchstens Jahrgang 2007 und unter 'nem Meter Fünfzig.
Ich verspreche euch: Wenn man die vom Stapel gelassen hat, steigt man grinsend aus dem Ring.

Montag, 5. August 2013

Schrott im Set

Eigentlich wollte ich mich heute Abend entspannen, ausnahmsweise mal nix machen und mich über unverbindliche Internetrecherchen zum Thema "Schulranzen" ganz allmählich dem Schuleintritt von Kind Nr.1 nähern. Also rein mental. Denn ich habe dafür noch SO. VIEL. ZEIT. Eine halbe Ewigkeit. Ganz anders als die Berliner Kinder und ihre Eltern. HA! Die treten dem Ernst des Lebens ja schon kommenden Sonnabend Samstag gegegenüber. MEIN Kind dagegen hat noch einen ganzen Monat Ferien. Ist doch super. Und ich auch. Kind Nr.2 ist bis zum Abflug bestens hier im Kindergarten untergebracht, also lässt sich das mit dem Schulranzen und den paar Stiften zu einem Event gestalten und in den kommenden drei Wochen mal so zwischenschieben. Cool. 

Was es da alles gibt: Richtig geschmeidig klingende Ergobags, solide und funktionale Schulrucksäcke und dann eben noch die Ranzen. Fällt vom Klang ziemlich ab. Da macht es auch keinen Unteschied, dass da noch ein "exclusive" oder "nano" hinterher pupst. "Ranzen" bleibt "Ranzen" und klingt ziemlich sperrig. Und irgendwie nach alter deutscher Schule. RAN.ZEN. Muffig. Ich persönlich favorisiere ja "Tornister" - aber bitte! Hier gibt es RAN.ZEN. Und zwar "Einzelranzen" und "Ranzensets". Ranzen unter 50 Euro und Ranzen bis 100 Euro.  Und dann eben die mit den üblichen Preisen. 

Als ich noch klein war, gab es die Dinger in gelb, marineblau, rot und oliv. In klein und groß. Fertig. Jetzt gibt es die in gefühlt dreißig Milliarden Designs und Sondereditionen. Wer blickt denn da noch durch? Zum Beispiel das 6-teilige Set "Naschkatze auf ErdBär-Jagd". Es enthält den Ranzen, einen Rucksack, die Federmappe (dazu unten mehr), den Turnbeutel und zwei weitere geheimnisvolle Elemente, die aber nicht abgebildet sind. Das ist schön. Wahrscheinlich einen Brustbeutel (noch so'n Wort) und dann gibt es noch die Motivserien "Butterfly", "Fantasy", "Dino", "Race", "Transform", "Little Flowers", "Lucky Horse" und "Honululu". Vor dem Hintergrund bin ich total froh über Englisch ab der ersten Klasse. Dazu liest man noch allerlei Marketing-Schrott:
"mit wunderschönen Stickereien, superplastischen Prints, trendigen Applikationen, Details in ganz besonderen Materialien und - als cooles Extra - ganz speziellen Gimmicks."
Schon klar...  

Das gewünschte Design der Utensilien haben wir also per Bildrecherche in Katalog und Internet festgelegt. Das ist die halbe Strecke, der Rest ist ein Klacks. Pah! Ich gerate in eine Art Organisationsrausch und bitte Herrn Zumbrechenflexibel, mir doch mal schnell die Besorgungsliste von Grundschule B im Rheinland zukommen zu lassen. Macht er promt und wenige Sekunden später baut sich eine Bilddatei vor meinen Augen auf, die mir auf meinem Höhenflug in Sekundenbruchteilen ein paar grundsolide Bleistiefel verpasst. Und zwar Größe 48. Whoooha! Ich kann das zwar noch nicht lesen, spüre aber schon wie sich eine animalische Panik durch die aufgeräumten Großhirnschichten gräbt und sämtliche Funktionseinheiten auf "Flucht" umschaltet.

Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Mit einem ausladenden Mühlstein das ganze böse Chi mit nach unten weisenden Handflächen aus der Körpermitte nach außen mahlen und dabei den Blick an einen imaginären Horizont heften. Dann mit der Gegenbewegung gutes Chi aus dem Nirwana her mahlen. Glaubt das eigentlich wer wirklich? Egal. Voll entspannt. Dann stellt sich das Display scharf. Gleich der erste Satz in einer lustigen Comic-Typo ist ein Knaller - wenn man dazu sein Gefolge im Blick hat: 

Damit Sie in Ruhe den Schulanfang vorbereiten können, hier eine Liste der Dinge, die Ihr Kind benötigt:

Und dann kommt's - 27 Spiegelstriche kryptischen Inhalts mit Weisungscharakter:
- eine Federmappe (einfach, mit einem Reißverschluss) 
ok. Die Anzahl habe ich verstanden. Damit hört es dann aber auch schon auf. Was habe ich mir unter einer "einfachen Federmappe" vorzustellen? Als Gegensatz zu "kompliziert"? Eine Federmappe ohne Allüren? Oder darf sie kein Motiv haben. Vielleicht auch "einfach" im Sinne von "bisher bildungsfern"? Und das ganze dann "mit einem Reißverschluss". Ist das nicht voll dikriminierend für alle Mäppchen mit Druckknöpfen oder zwei Reißverschlüssen? Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ich brauche da genauere Anweisungen. 

- ein roter Schnellhefter  
- ein blauer Schnellhefter 
- ein grüner Schnellhefter 
- ein gelber Schnellhefter 
- ein  grauer Schnellhefter 
Merkt ihr was? Ich meine jetzt mal vorwiegend die Mädcheneltern. Seht ihr das unabwendbare Drama, das in Gang gesetzt wird, wenn man den Damen diese Schnellhefter  präsentiert? Klar. Ihr habt es! JAAAAA! Ganau! Die weigern sich schlicht, in die Schule zu gehen. Da ist weder Rosa, noch Lila oder Pink bei. Von Türkis ganz zu schweigen. Diese Farben sind gut, um die Registratur eines Wirtschaftsprüfers zu strukturieren. Geschenkt. Aber, um ein Doppel-X für die Schule einzunehmen, voll daneben. Echt jetzt. OK. Hilft nix. Weiter.

- 2 Rechenhefte (große Kästchen, DIN A5) 
ok. Kenne ich noch
- 2 Schreibhefte (Lineatur 1) Nr. 16 DIN A5 (farbig untersetzter Hintergrund)
WTF???
- 1 Schreibblock DIN A 4 unliniert
- 1 Zeichenblock DIN A 3 
- 1 Sammelmappe DIN A 3
- 1 Farbkasten (z.B. PIIIIIIIIEP) 
- 1 Borstenpinsel Nr. 10 und Nr. 4
- 1 Bastelschere
- 1 Doppelanspitzer (dick und dünn mit Spitzerdose)
- 1 Radiergummi 
Da könnte ich doch gleich die rosa Gänse aus meinem Schreibtisch nehmen! TOLL!! Haken dran.
- 1 Klebestift (ohne Lösungsmittel, kein Flüssigkleber!)
Die vermasseln einem aber auch jeden Spaß...
- Wachsmalstifte dick (z.B. PIIIIIIIIEP) 
- Buntstifte (falls nicht im Federmäppchen enthalten)
So. Da haben wir es. Also doch nicht "einfach" so'n Federmäppchen...
- Filzstifte (ohne Lösungsmittel, auf Wasserbasis, sowie Lebensmittelfarbstoffe)
Wie jetzt? Lebensmittelfarben in die Federmappe? Also DAS gab es bei uns nicht.
- 2 Bleistifte Nr. HB
- 1 breiter Aktenordner DIN A4 aus Pappe mit zwei Lochungen!
-  1 Wasserlöslicher Folienstift (schwarz oder blau, fein)
Ich will aber ROSA!
- 1 abwaschbares Frühstücksset
- Hausschuhe
- TURNBEUTEL mit festen Turnschuhen mit heller Sohle und Klettverschluss (wann genau darf es den Kindern nochmal zugemutet werden, eine Schleife zu binden?) Turnhose und Turnhemd.
Reichen auch Shorts mit T-Shirt?
- 1 Igelball.

Naja. Wenn's weiter nichts ist...

Sonntag, 4. August 2013

Endspurt!

Die Berliner Tage sind gezählt. Es sind noch genau 21.
Das Ende ist in Sicht. Die wöchentliche Pendelei wird in drei Wochen Geschichte sein. Drei Wochen nach 45. Müsste eigentlich ein Klacks sein. Denkt man so. Tatsächlich aber entpuppt sich der letzte Rest der Strecke als die größte Quälerei. Das ist wie beim Marathon: die ersten 40 Kilometer fühlt man sich wie ein junger Gott, dann kommt der Leistungsknick und die Zielgerade ist die Hölle. Nicht, dass ich jemals Marathon gelaufen wäre oder es irgendwie in Betracht ziehen würde, aber wäre dem so, stellte ich mir die letzten paar hundert Meter genauso vor. Endlos. Jeder Schritt so anstrengend wie die tausend davor. Oder man hat Krieg und Frieden hinter sich gebracht, kennt die drei Millionen Personen und muss nur noch 30 Seiten lesen, um die Buchdeckel für immer zusammenklappen zu dürfen. Für den Abspann braucht man gefühlt Wochen. Nicht zuletzt, weil man schon seit Wochen nur noch mit diesem einen Satz angesprochen wird:
"Ach! Ihr seid ja noch da?"
"Äh - ja."
"Haha, ich hatte gedacht, ihr seid schon weg."
"Nee. Sind wir nicht. Erst Ende August."
"Aha. Na dann: Viel Spaß noch."
"Ja. Danke. Warte mal! Womit eigentlich???"

Eine schöne Variante desselben Themas:
"Ach! Ihr seid ja noch da?"
"Ja. Wir ziehen erst Ende August um."
"Achja! Wieso denn das? Ist da denn was schiefgegangen?"
"Nee - läuft alles nach Plan. Wieso?"
"Naja - warum dauert das dann so lange?"
"??"

Egal. Für alle die, die es nicht erwarten können: Wir sind ja bald weg. Habt nur ein bisschen Geduld. Die wichtigen Dinge sind eingetütet. Alles läuft wie am Schnürchen. Was jetzt kommt, sind nur noch Lappalien. Noch genau zehn Tage als Transnationsfamilie. Ich kann das gar nicht fassen.

Zur Feier des Tages habe ich heute - in fast pathetischer Stimmung - zum LETZTEN MAL die Altpapiertonne mit Kubikmetern säuberlich gestapelter Zeit beschickt (manche Dinge ändern sich eben nie. Zeit-Stapel sind eine Kulturkonstante) und sie ganz bewusst die komplette, endlos lange Einfahrt bis zur Straße gerollt. Komischerweise war unsere Tonne dann die Einzige, die da stand. Sofort standen sie Spalier - die Selbstzweifel. Selbst bei der letzten Fuhre vor dem Abflug ist es mir nicht klar, wann genau die Entsorger anrollen. Heute IST doch der erste Montag nach dem Monatsersten, oder? ODER? Ist doch??? Ja. Dann müsste doch die ganze Straße mit Papiertonnen vollgestellt sein. Ist sie aber nicht. Unsere steht als stolzer Solitär vor dem Tor und ich höre schon wieder die Nachbarn feixen. "HAHA - guck mal! Die hat schon wieder die Tonne falsch rausgestellt! HAHA!" Ich RAFF' DAS EINFACH NICHT, wann die hier kommen. Da kann man schon mal an seinem Verstand zweifeln. Wahrscheinlich ist mit meinem Verstand aber alles völlig in Ordnung. Ich bin einfach nur Opfer eines Komplotts. Die stecken doch alle unter einer Decke, um mich in den Wahnsinn zu treiben. So isses nämlich. Zeit, zu gehen.

Die Tonne bleibt aber, wo sie ist. HA! Mir doch egal. Sollen sich doch die Nachbesitzer drum kümmern. Blöde Tonne!

So. Der habe ich es jetzt aber gezeigt.

Nachdem das geklärt ist, geht es jetzt wieder auf die Transitstrecke. Auf nach Westen! Wenn noch nicht faktisch, dann doch schon mal mental. In den nächsten drei Wochen werden die Abschiedsbesuche angegangen. Nummer eins ist morgen dran. Der Kinderarzt. DER wird sich freuen. Und ich erst.