Mittwoch, 31. Juli 2013

Ein Kindergartenkind weniger


Heute hatte Kind Nummer eins seinen allerletzten Kindergartentag. Wirklich den allerletzten!!! Das ist krass. Da ist es gerade erst geschlüpft und ZACK - schon will es in die Schule. Ich bin echt beeindruckt. Und (ich wiederhole mich wirklich nur äußerst ungern) Kinder - wie die Zeit vergeht1 Das nur am Rande.

Dienstag, 30. Juli 2013

Kofferpacken

Dinge von Wert vom Ausschuss trennen: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Wir haben
heute einen Kubikmeter Papiererzeugnisse auf eine Kiste eingedampft. Dokumente einer künstlerischen
Entwicklung über zwei Jahre.
Kinder, wie die Zeit vergeht! Da hatte ich eben erst geschrieben, dass die Uhr wieder zurück auf zehn Wochen gestellt worden ist, und jetzt steht sie plötzlich bei unter vier Wochen. Zeit, Koffer zu packen bzw. Ballast abzuwerfen.

Jaaajaaajaaahaaa! Ich weiß - ich habe immer erzählt, dass wir mit leichtem Gepäck reisen. Stimmt ja auch. ABER wir sind vier und haben ein großes Haus. Da versteckt sich doch das eine oder andere Krempelstück. Oder ein Kein-Krempelstück ist ganz von alleine zum total falschen Ort diffundiert. 

OK. Es sind VIELE Kein-Krempelstücke, die am falschen Ort gelandet und damit vom echten Krempel kaum noch zu unterscheiden sind. UND sie werden niemals existeziell für die weitere Lebensgestaltung sein. Also weg damit. Oder doch nicht? Keine Ahnung. 

Je popeliger der Kram, desto schwieriger ist es, eine sinnvolle Ordnung zu etablieren. Blöderweise geht es bei des Sachen recht menschlich zu: die Kleinen fordern die meiste Aufmerksamkeit. Und das total penetrant. Ein Sofa ist ein Sofa und kommt mit - keine Frage. Dasselbe gilt für die Betten, die Schränke, Tische, Stühle, Kommoden und den Kühlschrank. Die werden gebraucht. Die kommen mit. Aber da hört es dann auch schon auf. 

Wenn wir kleinteiliger werden und an die Klamotten, Handtücher, Bücher, Plüschtiere, Ordner gehen, wird es schon interessanter. Denn da haben viele Stücke die besten Jahre hinter sich. WEIT hinter sich. Aber wie abgenutzt ist unbrauchbar? Wie viele Handtücher braucht man wirklich und ab welcher Menge sollte man die anonymen Messies kontaktieren? Warum hortet man eigentlich Bücher, von denen man WEISS, dass man sie wirklich nie wieder lesen wird, weil sie schlecht, langatmig oder überholt sind? Weil man noch weiß wo man sie gelesen hat oder wann? Weil genau dieses Thema einen in einer bestimmten Phase brennend interessiert hat? Buchrücken als biografische Krücken. Akzeptiert. Kommen mit. ALLE.

Und jetzt geht's ans Eingemachte.

Denn was WIRKLICH grauenhaft ist und mir schon beim bloßen Gedanken daran kalte Schauder über den Rücken jagt, sind die Schubladen. Was da drin ist, sollte besser nie wieder Tageslicht sehen. Denn es ist ja nicht ohne Grund da drin. Konsequenterweise müsste man diese Schubladen einfach im Dunkeln in die Tonne leeren und gut. Die paar Stifte, die da mit verschwinden, kann man getrost unter "Kollateralschaden" verbuchen. Ich fordere ein allgemeines und ausnahmsloses Schubladenentrümpelungsverbot. Man muss sich mal vorstellen, wie viele Menschenleben vergeudet worden sind, bei dem Versuch, Schubladen zu entrümpeln. Am besten noch die eigenen. Schrecklich!

Da macht man zum Beispiel ahnungslos die Schreibtischschublade auf und schon springt einem ein zerknicktes und unleserliches Parkhausticket in die Augen. Es hat bisher in keins der vorgefertigten Fächer gepasst und nimmt nur Platz weg. Trotzdem ist es da und spricht - irgendwie: "Hallo! Ich bin's - das Parkhausticket. Weißt du noch, als du Herrn Zumbrechenflexibel vor zehn Jahren vom Flughafen abgeholt hast? Du warst wie immer spät dran und ganz ausnahmsweise mal viel zu schnell unterwegs. Blöd, dass ausgerechnet dann im Tunnel, wo man es so gar nicht vermutet diese Blitze war. Oder? Naja - die anderen sind alle 80 gefahren, aber Schwamm drüber! Das war ein Spaß..." 

Daneben ein Klarsichttütchen mit flachen Gänseradiergummis in rosa und hellblau: "Hi, weißt du eigentlich, woher du uns hast? Nein? Das ist schade, oder? Denn jetzt weißt du gar nicht, ob du uns wegschmeißen kannst oder wir doch noch der letze Rest deiner kindischen Radiergummisammlung sind..." Die alte SIM-Karte schaltet sich ein: "Na? Sind auf mir etwa noch wichtige Kontakte, Daten sonstnochirgendwas? Kann man nicht sehen. Müsste man mal ins Handy einlegen und damit versehentlich die aktuellen Sachen löschen..." Alter Gutschein: Fliegt raus. Drei Wertbons von Sanifair. "Nimm uns doch bei deiner nächsten Fahrt mit. Wir sind zusammen immerhin einsfuffzich wert." "Seid ihr nicht. Ihr seid abgelaufen. Ihr fliegt raus!" "NEEEEIN! Nimm uns mit. Du kannst doch mal fragen." "Nein. Schnauze. Raus jetzt!" 

USB-Sticks, Kleinteile aus Plastik, die irgendwas verbinden sollen, das aber eben gerade jetzt nicht tun, Stifte, die bald nicht mehr funktionieren, Kulis ohne Minen, Kuliminen für andere Modelle, sechs Mini-Post-Its, Spitzdreck, einzelne Büroklammern, Betriebsanleitung für die Schreibtischlampe, Laschen, mit denen man Regale festdübeln soll, alte Visitenkarten, Pflasterdosen mit Dinos drauf, ...

Ich werde mich dem stellen. Jetzt. Ich bin so tapfer.

Sonntag, 28. Juli 2013

Essenzielle Hard Skills für Friseure

Was ist eigentlich die wesentliche Voraussetzung, um Friseur zu werden? Also DIE Fähigkeit, ohne die man im Salon gar nicht erst anzutreten braucht. Das, was so ganz oben in der Bewerbung stehen muss, um eine Lehrstelle zu bekommen? Ich habe mich das echt schon öfter gefragt. Jetzt mal ganz abgesehen davon, dass man Idealist sein muss und überhaupt nicht bezahlt werden will, stattdessen gerne den direkten Weg zur Aufstockungsabteilung des Job-Centers einschlägt. Schnöder Mammon - pah! Was ist das schon gegen die enorme Verantwortung für das Seelenheil und das Ego der Kunden. Da braucht man doch Kompetenz und Empathie! Wer schonmal mit 'ner verhunzten Frise heimgehen musste, weiß jetzt was ich meine.

Bisher war meine Vermutung, dass man vor allem grenzenlose Leidensfähigkeit und die Fähigkeit, maximalen Stumpfsinn (politisch korrekt: stoische Lebenshaltung) auszuhalten, mitbringen muss. Leidensfähigkeit, weil man den ganzen Tag steht und auch bei brütender Hitze fönt. Außerdem darf man vor nix fies sein. Schließlich muss man fremden Leuten ständig in die Haaren packen und sich währenddessen mit denen unterhalten. Also mit den Leuten.

Stumpfsinn ertragen können: Man muss sich mal vor Augen führen WIE langweilig die meisten Verrichtungen sind. Zum Beispiel fisseliges Haar von der Spitze bis zum Ansatz auf zig Wickler wickeln. Bei Rothaarigen sind das 75.000 Haare, bei Blonden doppelt so viele. Brünette hängen irgendwo dazwischen. Oder Haare Fönen. Oder Haare strähnenweise mit Farbe bestreichen und sie dabei in kleine Alupäckchen wickeln - obwohl zumindest das im Ergebnis einen gewissen visuellen Unterhaltungswert hat.

Genauso wie die armen Dauerwellmenschen, die, um gleich wie ein Pudel auszusehen, sich diese Wicklerkappe verpassen lassen. Und um die Demütigung zu vollenden, wird die Haut rings um den Haaransatz einmal daumendick mit Niveacreme beschmiert und dann eine Wattewurst darauf gebappt, die dabei hinter die Ohren gepresst wird, sodass die abstehen wie bei Alfred E. Neumann.

Zurück zum Anfang. Friseure/Friseurinnen haben uns in der Hand. Unsere Haare und unsere Selbstachtung. Was muss ein Mensch also an Anlagen mitbringen, der diesen Beruf ergreifen will? Sadismus? Vielleicht. Aber da sprechen die genannten Skills "Leidensfähigkeit", "stoische Lebenshaltung" und Ekelresistenz gegen. Es muss etwas anderes sein.

Warte mal.... Ich guck' gerade mal in den Spiegel.

JAAAA! NA KLAR - JETZT HABE ICH'S!!!

Die Figaro-Adepten müssen eine ganz bestimmte Art der Wahrnehmungsstörung haben. Also so eine grundlegende Dysfunktion der optischen Reizverarbeitung im Gehirn. Die müssen irgendwie verkürzte Nerven in der Sehbahn haben. Das hat weiter keinen Krankheitswert, sondern äußert sich schlicht darin, dass die einfach Schwierigkeiten haben, Dimensionen korrekt zu verarbeiten. Ich meine Tiefe. Also Längen. Deshlb schneiden die einfach immer zuviel ab. TROTZ BILDERN ALS VORLAGEN. Mensch! Und ich dachte immer, das sei reine Wurstigkeit oder Bosheit, dass man grundsätzlich mit 'nem Bob nach Hause geht, wenn man eigentlich nur Spitzen schneiden wollte.

Liebe Friseure und Friseurinnen! Ich habe euch so Unrecht getan. Das weiß ich jetzt und es tut mir Leid. Auch wenn ich dafür jetzt mit 'nem Idiotenpony rumlaufen muss, statt bei Bedarf lasziv ein paar Fransen über den Augen wegpusten zu können.

Ihr könnt einfach nicht anders. Es liegt an der Hardware. Das ist schade. Für euch. Aber besonders für uns.

Mittwoch, 24. Juli 2013

Heute mache ich mal nix

Heute stelle ich mich der ultimativen Herausforderung für alle Textschaffenden: was Interessantes über nichts schreiben. Denn ich habe frei und alles Wichtige erledigt. Also mache ich nichts und schrebe genau darüber. Über nichts. Obwohl - warte mal! Wenn ich es mir recht überlege - so selten kommt das ja gar nicht vor. Eigentlich dauernd. Man nennt das dann nur anders. Werbung. Oder Tagesschau/heute Nachrichten/Spiegel um nur die wichtigsten Nullnummern zu nennen.

Fällt eigentlich keinem auf, dass die so genannten Nachrichten in epischer Breite über Dinge berichten, die die wenigsten Leute wirklich betreffen? Oder über das Wetter. Betrifft zwar alle, ist aber nicht von Bedeutung. Oder die Royals. Oder Börsenkurse. Oder Unfälle auf Provinzlandstraßen. Flugzeugabstürze auf der anderen Seite der Welt. Oder man stellt den Lesern Fragen: "Stuttgart 21 erst 2022 fertig? (ARD)" Wen interessiert das? Und wenn es erst 2023 ist? Was auch toll ist: Aufreger aus dem letzten Jahrhundert nochmal wiederzubeleben: "Tour de France 1998: Ulrich und Zabel sollen mit Epo gedopt haben (Spiegel Online)" Wer war nochmal Ulrich? Keine Ahnung. Interessiert mich aber auch nicht.

Was mich dagegen BRENNEND interessiert, sind konkrete Informationen über Dinge, die für die Lebenswirklichkeit der meisten Menschen wirklich von Bedeutung sind. Zum Beispiel die Gewissheit, dass die gewählten Leute tatsächlich alles Mögliche tun, um Lebenssicherheit für die Bevölkerung herzustellen. Damit meine ich aber NICHT irgendwelche hochpotenten Sonnencremes, Helme, Gurtsysteme, Nährstoffampeln auf Tiefkühlpizza oder Nichtraucherzonen auf offenen Bahnhöfen. Pillepalle!

Ich meine die Voraussetzungen dafür schaffen, dass jeder frei und selbstbestimmt leben kann. Eigene Entscheidungen treffen kann, weil er dazu genug Geld in der Hand und genug Wissen im Kopf hat. Weil Privatsphäre analog und digital geschützt ist und Arbeit genug abwirft, um eigenständig zu leben und würdevoll zu altern. Darüber hört und sieht man aber nichts. Oder wenig. Stattdessen hört man viel über die empfindlichen Märkte, dass man ihnen Milliarden opfern muss, um sie gnädig zu stimmen. Dass sie aber wankelmütig sind und unberechenbar. Allmächtige Diven. Das ist beängstigend. Zusammen mit dem universellen Datenklau werden sie jetzt noch allwissend.

WOOOHA!

Ich glaube, nichts tun ist Scheiße. Da denkt man zuviel nach. Ich muss DRINGEND was machen.

Schnell mal die Mülltonne kärchern...

Montag, 22. Juli 2013

Bad Hair Day oder die Frage nach dem Warum

Früher oder später kommt jeder an den Punkt, an dem er/sie sich die Frage aller Fragen stellt. Die Frage, die so richtig ans Eingemachte geht, den Grund aller Dinge erforscht. Ob man nun will oder nicht. Meist will man nicht. Weil sie aber so wahn-sin-nig penetrant ist, kommt man über kurz oder lang nicht um sie herum - die Frage nach dem WARUM? Genauso sicher wie die Tatsache, dass man dieser Frage irgendwann mal begegnet - ich übrigens dauernd - genauso vielfältig sind die Anlässe. 

Die wichtigsten, die mir in den letzten zwei Tagen über den Weg gelaufen sind, habe ich hier mal festgehalten:
  1. WARUM muss man einen halben Tag des kostbaren Wochenendes, konkret den Sonntagvormittag, damit zubringen, eine Rundbürste unter endlosen Flüchen wieder aus den Haaren zu entfernen, mit der man sich einfach mal schnell eine Fönwelle frisieren wollte und die sich dort total widerborstig verkeilt hat und nur durch die vollständige Amputation ihrer Plastikfinger auf Abstand zu bringen ist?
  2. WARUM schneidet man trotz aller Vorsicht zusammen mit den Plastikfingern der Bürste auch unweigerlich Haare ab und macht damit einen zusätzlichen Friseurtermin unumgänglich?
  3. WARUM stehen Ponyfrisuren den anderen immer besser und man selbst sieht damit aus wie die eigene Tante?
  4. WARUM geschehen solche folgenschweren Missgeschicke eigentlich immer dann, wenn man nur mal eben schnell etwas machen will?
  5. WARUM hat Konfuzius in diesem einen Fall Recht (Wenn du es eilig hast, gehe langsam.)?
  6. WARUM muss Herr Zumbrechenflexibel am Sonntagabend über Hamburg nach Düsseldorf fahren? Warum nicht über München? Dann könnte er wenigstens die ganze Nacht im Zug verbringen und müsste nicht schon um 0.30 Uhr aussteigen?
  7. WARUM fällt dann auch noch die Klimaanlage aus?
  8. WARUM funktioniert der über Jahre treue Scanner nicht mehr, wenn man dem Notar den Personalausweis nur mal eben digitalisiert nachreichen will?
  9. WARUM löst ein billiger Klebestreifen die Oberflächenfolie des Persos ab und macht ihn damit endgültig ungültig? 
  10. WARUM vermutet man als Antwort auf diese Fragen eigentlich einen höheren Sinn?
WEIL die Ursache für kausale Vorgänge immer außerhalb ihrer selbst liegt. Wem das zu kompliziert ist, der kann es auch auf die rheinische Formel "DIHS" bringen: Datt is halt so!

Das beantwortet aber noch nicht die wichtigste der WARUM-Fragen: 

WARUM endet ein Tag, der mit einer festgedrehten Rundbürste anfängt, eigentlich genauso beschissen wie er angefangen hat? Ist das ein Naturgesetz? Wenn ja - dann muss man das doch berechnen oder erklären können. Und: Woher zieht ein Missgeschick eigentlich seine ganzen Kollegen?

Kann mir das mal irgenjemand sagen, BITTE?

Samstag, 20. Juli 2013

Weg und frei!

Wieder frei. Auf nach Westen. YAY!
So. Erledigt! Der letzte Schritt und mit Blick auf Masse und Bedeutung auch der schwerste, ist gegangen: Das Haus ist jetzt auf dem Weg, jemand anderem zu gehören. Wir sind raus. Endgültig. YAY! 

Die die immer und überall lauernde Gefahr des "zufälligen Untergangs" geht am ersten Oktober auf die neuen Eigentümer über. Dann sind die in der Pflicht und verpfänden ihren ***** für ein halbes Leben (denn die andere Hälfte ist ja schon rum) an die Bank. Damit sind wir wieder frei, zu gehen, wohin es uns passt und brauchen keinem Institut darüber Rechenschaft abzulegen. Das gefällt mir. Sehr.

Denn die ganze Eigentümerei ist so ernst. Zu ernst. Echt. Als wäre die Sache an sich nicht schon beeindruckend genug, wird sie durch die notarielle Beurkundung auch noch sowas von aufgeladen. Das ist so gruselig! Alle tun etwas, das so kompliziert ist, dass keiner außer dem Notar es versteht und ausgerechnet dem ist es völlig egal. Naja. Und dieser Akt, den keiner versteht, ändert das Leben aller Beteiligten - außer dem des Notars - für immer.

Das ist stark! Deswegen muss man da auch würdevoll rangehen. Alle machen sich schick, verstummen in Ehrfurcht - außer dem Notar - und lauschen eine Stunde lang seinem monotonen Gemurmel. Er liest den ganzen Vertrag Wort für Wort. ACHTZEHN SEITEN. Überall gespickt mit Worten wie "Unterwerfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung", "Gefahr des zufälligen Untergangs", "Haften persönlich mit ihrem gesamten Vermögen", "schuldrechtlichen Erklärungen zur Eintragung von Grundpfandrechten", "sind verpflichtet bei Androhung von..."

Totale Überforderung. Wirklich! Bei so weitreichenden Konsequenzen auf allen Kanälen gibt es eigentlich nur zwei angemessene Reaktionen: Vor Angst zur Salzsäule erstarren, dann heulen und Zähne klappern, anschließend fliehen. Schnell. ODER den Ernst zurückweisen. Das klingt gut und souverän. Das mache ich so. Als Auftakt habe ich dann auch erstmal meinen Personalausweis vergessen. Nein - vergessen klingt so fahrlässig. Er war einfach nicht in meinem Portemonnaie. Dabei ist er da sonst immer. Ich schwör! 

Und dann kam das Bubenstück. Denn grundsätzlich kann und SOLL man bei der Lesung des Vertrages immer fragen, wenn man was nicht versteht. Der Notar erklärt es einem dann so lange, bis man es verstanden hat. Diese Blöße gibt sich aber keiner, weswegen der Text störungsfrei verlesen wird. Ich bin ehrlich: Ich hätte nach jedem Satz fragen müssen. Habe ich aber nicht, denn ich war ja schon blöd genug, meinen Ausweis zu vergessen. In einer lebensentscheidenden Situation. Da kann ich ja nicht ständig nachlegen und mich als einzig Begriffsstutzige outen. Der Fragedruck erhöht sich trotzdem ständig. Dazu die ernsten Gesichter. Und die Spannung. Dann konnte ich einfach nicht anders. 

Ich MUSSTE eine Frage stellen. Und deshalb habe ich mich für die mit dem höchsten Impact-Faktor entschieden. Eine Rohrbombe in der Kohlegrube. Sie betrifft den Paragrafen über Bau- und Sachmängel. Die Passage der Urkunde lautet: 
"Im Hinblick auf Sachmängel an der Bausubstanz, des Grund und Bodens und etwa mitverkaufter beweglicher Sachen werden alle Ansprüche und Rechte ausgeschlossen. Garantien werden keine abgegeben. Der Käufer hat den Kaufgegenstand besichtigt und kauft ihn im gegenwärtigen, gegebenenfalls altersbedingten Zustand.

Der Verkäufer versichert aber, dass ihm bei der Besichtigung nicht erkennbare Mängel, insbesondere auch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten, Hausschwamm, Trockenfäule oder Hausbockbefall, nicht bekannt sind.

Sofern die Rechte des Käufers vorgenannt eingeschränkt sind, gelten diese Beschränkungen nicht, soweit der Verkäufer den Mangel vorsätzlich zu vertreten oder arglistig verschwiegen hat."
Meine Frage: "Wenn keine Garantien von unserer Seite auf gar nichts gegeben werden , was meint denn dann "nicht erkennbare Mängel" die wir offenbaren müssten? Oder was heißt hier "arglistig"??? Rein hypothetisch natürlich..."

Ich habe die volle Aufmerksamkeit aller. Die Käufer gucken entsetzt zum Makler, der wird ganz nervös und der Notar erklärt in aller Seelenruhe, dass damit schwerwiegende Mängel an der Bausubstanz oder die Kenntnis über eine Weltkriegsbombe unter dem Fundament etc. gemeint sind.

Ich: "Achso. Dann habe ich's jetzt verstanden." Gucke wieder in den Text.

Die Käufer gucken mich an. Und sehen fundamantal verunsichert aus. Hihi.

Ich: "Es ist alles in Ordnung mit dem Haus. EHRLICH!"

Sie haben es gekauft. Wir sind raus.

Juchhu. Und ob es eine Bombe gibt, weiß ich echt nicht. Versprochen...


Freitag, 19. Juli 2013

Auf zum Notar!

Gleich spielen wir erwachsen. Hoffentlich werden wir dabei
nicht als Hochstapler entlarvt.
Es gibt Situationen im Leben, da geht einem der Arsch auf Grundeis. Und zwar zu Recht. Denn da werden Formulierungen verwendet wie "in guten und in schlechten Zeiten" oder "bis dass der Tod euch scheide" oder eben wie bei uns heute 
"Der Käufer unterwirft sich wegen Zahlung des Kaufpreises dem Verkäufer gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde. Dem Verkäufer kann jederzeit ohne Nachweis der die Fälligkeit der Forderung begründenden Tatsachen vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde erteilt werden, jedoch nicht vor Eintritt der vom Notar zu überwachenden Fälligkeitsvoraussetzungen."
Glücklicherweise sind wir heute mal die Verkäufer. Also auf der "Gleich-fein-raus-Seite". Wir unterwerfen uns nur der "sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde" mit Blick auf unsere "Übergabeverpflichtung gegenüber dem Käufer". Das ist einfach. Ich übergebe dem alles, was er will, Hauptsache, wir sind möglichst geschmeidig raus aus der Nummer. 

Aber was die Übergabe betrifft, stehen da auch fiese Sachen:
"Die Gefahr des zufälligen Unterganges geht ebenfalls mit dem Übergabetag auf den Käufer über. "
Zufälliger Untergang - das hatten wir doch erst. Wird wohl in den nächsten Wochen nicht nochmal vorkommen. Schon gar nicht im Märkischen Sand. Da strandet man wohl eher.

Trotzdem - wenn ich das lese, frage ich mich ernsthaft, ob ich wirklich schon so erwachsen bin, um solche Verträge eigenverantwortlich zu unterschreiben. Also ohne einen richtigen Erwachsenen zu fragen. Von den Verträgen mit der Bank über die nächsten zwanzig Jahre - ach nee, sind ja jetzt nur noch ein paar Wochen - mal ganz zu schweigen. Da hängt eine ganze Existenz dran. Wahnsinn! Diese Zeiträume kann ich doch gar nicht überblicken. Oder? Was allein in den letzten drei Jahren hier passiert ist, erledigen andere im Leben nicht. Apropos: Weiß ich überhaupt, ob ich da noch lebe? Ich meine - 20 Jahre? Das ist in unserem Rhythmus noch sechs Mal umziehen und den siebenten schon wieder ins Visier nehmen.

Ich bin gespannt. Und irgendwie erleichtert, dass das dann auch erledigt ist. Langsam macht sich sowas wie Urlaubsstimmung breit. Und das Wetter ist auch schön.

Na dann mal auf zur Beurkundung!

Donnerstag, 18. Juli 2013

Noch mehr Zahlen

Herr Zumbrechenflexibel macht schöne Fotos. Von der alten neuen Heimat. Mit seiner Pendelei ist er nicht alleine.
Knapp 3.000 Menschen wohnen in Berlin und arbeiten in Düsseldorf. Würde die gerne mal treffen.
Es gibt eine interessante Studie zu Berufspendlern in Berlin und Brandenburg*. Es ist einfach großartig, wenn man sich selbst zwischen Zahlen wiederfindet: 2.980 Berliner arbeiten auch in Düsseldorf. Die leben genauso wie wir! Naja - zumindest in dieser einen Hinsicht.Würde zu gerne mal mit denen sprechen und fragen, wie die so ihren Alltag managen. Aber das ist schon zu persönlich und daher kleinlich. Erstmal zum großen Ganzen...

2010 pendelten 141.500 Berliner beruflich über die Stadtgrenzen hinweg. Das waren 13,8 Prozent aller Erwerbstätigen. 40 Prozent aller Pendler waren Frauen. Etwa die Hälfte der Streuner zog es nach Brandenburg. 42,4 Prozent reisten in die alten Bundesländer. Und 12,2 Prozent aller Berliner Auspendler fuhren nach Nordrheinwestfalen, um dort zu arbeiten. Das sind 17.273 Menschen. 28 Prozent der Auspendler aus Berlin hatten im Jahr 2010 Arbeitswege, die fünf Stunden und länger dauern. Konkret:
40.000 Berliner pendelten nach Frankfurt am Main, München, Düsseldorf, Köln, Bonn, Stuttgart und weiteren Zielen, die nur mit einer Fahrzeit von 300 Minuten und mehr erreicht werden können. Hierbei handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Wochenendpendler.
Messerscharf beobachtet. 
Nach einer Untersuchung von Haas/Hamann (2008) ist Pendeln ein zunehmender Trend vor allem bei Hochqualifizierten. […] Bei den Berliner Auspendlern weisen jedoch vor allem Beschäftigte mit (Fach)Hochschulabschluss in technischen Bereichen überdurchschnittliche Auspendlerquoten auf. Dies deutet neben möglichen Wohnortpräferenzen auch auf mangelnde Beschäftigungsmöglichkeiten der hauptstädtischen Wirtschaft insbesondere im Bereich wissensintensiver unternehmensnaher Dienstleistungen hin (Bogai/Wiethölter 2009).
Im Klartext: Der Berliner an sich ist eher kreativ und unwissend. Wer da nicht reinpasst, muss eben pendeln. Techniker und Pedanten bitte nach Schwaben. Oder wo die sonst gebraucht werden.

Darüber hinaus ist im Fall der technischen Berufe und für die Beschäftigten mit Hochschulabschluss zu berücksichtigen, dass die berufliche Spezialisierung mit zunehmender Qualifikation meist ebenfalls steigt. Bei hochqualifizierten Beschäftigten ist beim Arbeitsplatzverlust die Wahrscheinlichkeit daher höher, keine adäquate Neuanstellung in Wohnortnähe zu finden. 

Konkret heißt das: Wer also so doof war, bloß wegen der Arbeit nach Berlin zu ziehen, darf nicht heulen, wenn er beim Jobwechsel auch gleich das Lebensumfeld ändern muss. Oder eben zu pendeln.
Im Gegensatz zu Beschäftigten ohne Berufsabschluss müssen (hoch)qualifizierte Arbeitskräfte, die in der Regel über sehr spezielle Kenntnisse verfügen, ihren Suchradius ausweiten, um einen passenden Arbeitgeber zu finden, der sie ntsprechend ihrer Humankapitalausstattung entlohnt (Haas/Mertens 2006)
Oder: Wer was kann und dafür entsprechend bezahlt werden will, sollte besser im Rheinland, in München oder Schwaben arbeiten. In Berlin gibt es zwar Hipster-Punkte und das Badeschiff, aber keine Kohle. 

Deshalb gehen der Hauptstadt auch die klugen Köpfe flöten. Berlin verzeichnete schon 2010 ein dickes Minus in der Gruppe der 25-49-Jährigen Könner aus dem technisch-naturwissenschaftlichen Segment. 
 

Da liegen wir ja voll im Trend.

Na dann! Auf nach Westen.

*Pendlerbericht Berlin-Brandenburg 2010, Pendlerdistanzen und soziodemografische Strukturen. (IAB-Regional. Berichte und Analysen aus dem Regionalen Forschungsnetz. IAB Berlin-Brandenburg, 02/2012)

Mittwoch, 17. Juli 2013

Warum nicht mal gepflegt scheitern?

Zwei Männer am See mit Schwan. So hätte das noch ewig
weitergehen können. Naja. Der Schwan wäre dann wohl
irgendwann gegangen.

Genau heute in sechs Wochen wird unser Habe verladen und auf dem Weg ins Rheinland sein. Und wir auch. In wenigen Tagen wird auch unser Haus notariell den Eigentümer wechseln. Am Tag unserer Abreise werden wir zwei Jahre, zehn Monate und elf Tage in den eigenen vier Wänden gewohnt haben. Das Pendel schwingt zurück. Und wir mir ihm. Glücklicherweise gibt es die A2 schon, die macht die Reise angenehmer. Wir werden wieder alle zusammen sein, die Pendelei hat ein Ende und alles ist schick. Ab in die Heimat. Das Haus wird auch größer sein als jetzt und der Garten hat sogar eine heizbare Blockhütte. Kinder gut untergebracht. Was könnte schöner sein?


Trotzdem schwingt in allem eine Saite mit, die die Stimmung trübt. Möglicherweise liegt es an den entsetzten Gesichtern der anderen Eltern im Kindergarten, wenn sie mich sehen. Als wären wir eine gespenstische Erscheinung. Tauchen wir auf, kommt erst ein „Huch!“ und dann die unweigerliche Frage „Ihr seid ja noch da…?!“ „Ja. Stimmt. Tschuldigung. Aber nicht mehr lange.“ „Aha. Wann ist es denn soweit?“ „In knapp sechs Wochen.“ 

Irgendwie komme ich mir dabei wieder vor wie eine Schwangere kurz vor der Niederkunft, der alle Leute alle möglichen Fragen stellen, um ihre Anteilnahme zu zeigen. Nur die eine wirklich interessante und entscheidende Frage verkneifen sie sich - bei der Schwangeren und bei mir:
„Und? Schon Schiss? Ich meine: So richtig?“
„JA.“
„Aber warum denn? Ist doch dann alles schick. Und die ewige Pendelei fällt weg.“
„Jaja. Schon. Aber…“
„Und ihr kommt ja auch in bekanntes Terrain. Du hast ja auch Familie da - oder?“
„Ja. Stimmt. Andererseits war Tegel auch…“
„Und das Rheinland ist ja auch SO VIELFÄLTIG! Zurück in die Heimat - hmmm?!“
„Ja. Doch. Stimmt. Ganz toll. Ich freu mich auch. ECHT!“

Tatsache ist, dass es sich gruselig anfühlt, von allen nur noch auf das baldige Ableben die Abreise angesprochen zu werden. Dabei sind wir ja noch ein paar Wochen da. Und das Haus gehört noch uns. Auch wenn es nur noch für absehbare Zeit so ist. 

Tatsache ist aber auch, dass der Plan, hier zu bleiben und dem ewigen Hin- und Her ein Ende zu bereiten, gescheitert ist. JA-WOLL:

G. E. S. C. H. E. I. T. E. R. T.

„Äääääächt??? Och neeeee. So würde ich das aber nicht sehen.“ Doch. Wir wollten nicht weg, müssen aber, weil alles andere doof ist - siehe Pendeln in Zahlen - nervt und wertvolle Lebenszeit kostet, die wir nicht zu verschenken haben. Es ist eine Entscheidung aus Vernunft. Finanziellem und emotionalem Kalkül. Keine Lustpartie. Unsere Rechnung, uns hier einzuwurzeln, ist nicht aufgegangen. Der Plan, zu bleiben damit gescheitert. Ganz einfach. Aber dieses Wort will irgendwie keiner stehen lassen. Ist hässlich, total uncool. Wenn man nur richtig will, dann geht alles. Wenn das nicht klappt, wollte man nur nicht richtig. Selber Schuld! 

Ist das so? Kann man nur scheitern, wenn man’s selbst verbockt hat? Ich weiß es nicht. In der Seefahrt jedenfalls scheitert ein Schiff, wenn es bei einem Unfall zerschellt, also “in Trümmern auseinanderbricht“ - im Unterschied zum schadlosen „Stranden“. OK. Das ändert natürlich alles. Zerbrechen werden wir auf keinen Fall. Und unser Kram auch nicht. Dann vielleicht doch eher stranden. Das hört sich gut an. Sogar sehr gut. Nach Palmen, Kokosnüssen und verdammt gutem Wetter. 

So gesehen - irgendwie freue ich mich doch schon.

Dienstag, 16. Juli 2013

Autsch!

Ob eine Parkscheibe mit Migrationshintergrund wohl auch
als "schlecht lesbar" abgestraft wird?
Oder ist das dann diskriminierend?
Großer Polizeipräsident von Berlin vergib mir, denn ich habe gesündigt. Ich werde dafür büßen - aber keines Falls bereuen - und dieses Mal zehn statt wie sonst nur fünf Euro an die völlig verarmte Landeskasse Berlin zahlen. Ist ja für einen guten Zweck. Wenn du aber denkst, lieber Polizeipräsident, dass ich mein Verhalten in Zukunft ändern werde, hast du dich geschnitten. So oft wie ich falsch parke, kannst du mir deine Büttel gar nicht hinterher schicken. Ätschbätsch!

Der Witz ist: Das falsch Parken - ich habe an der Humboldt Bibliothek geparkt und bin mich dann nicht bilden, sondern einkaufen gegangen - wurde mit der Knolle gar nicht geahndet. Das haben die Ordnungshüter nämlich nicht mitgeschnitten. Dass da jemand fremdparkt und deshalb "kostenpflichtig abgeschleppt" werden kann. Haha. Die haben nur gesehen, dass ich "keine lesbare Parkscheibe" ausgelegt habe. Ich würde das sogar präzisieren und sagen, dass ich überhaupt keine Parkscheibe ausgelegt habe, weil ich nämlich keine besitze. Deswegen kann man die auch so schlecht lesen. Aber das sind unbedeutende Details.

Viel wichtiger ist die Frage: In was für einer Welt leben wir eigentlich, in der es zehn Euro kostet, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes die abwesenden Parkscheiben nicht lesen können? Was läuft verkehrt, wenn die Obrigkeit kostenpflichtig meckert, wenn sie etwas ganz offensichtlich Unsinniges tun und dabei scheitert? Ich finde, dass das ein Fall für die Psychiatrie ist. Ganz ehrlich.

Ach nee. Die gibt es hier ja nicht. Dafür hat man ja die U-Bahn gebaut.

Donnerstag, 11. Juli 2013

Pendeln in Zahlen




Jede Woche zweimal quer durch.
Mindestens.
Das sind 624 Stunden Bahnfahrt im Jahr.
Wenn es gut läuft.
42 (52) Mal Düsseldorf - Berlin hin und zurück.


Ich lasse die Zahlen für sich sprechen. Bis jetzt sind 42 Wochen von 52 um. Die im Text genannte Zahl zeigt den aktuellen Stand, die in Klammern gibt das Jahresziel an.


Zeitkonto:
1 Jahr = 12 Monate = 52 Wochen = 365 Tage = 8.760 Stunden = 525.600 Minuten.

Die Sekunden schenke ich mir.


Alles beginnt mit wöchentlich drei Stunden Koffer packen - bisher also 126, insgesamt 156 Stunden.


Weiterhin acht Stunden pro Woche Fahrt mit der Deutschen Bahn. Bei Wind, Wetter, Hitze und Hochwasser eingepfercht mit zig anderen genervten Pendlern und gestresstem Bahnpersonal, das dann auch noch alle fünf Minuten in die Lautsprecher brüllt, wo man gerade ist oder warum man ausgerechnet heute Verspätung hat. Die Anschlusszüge sind alle weg und kommen erst in drei Stunden wieder. Als Bonus gibt es diese Informationen dann auch noch auf „Englisch“. 

Zu den Fahrtstunden mit der Deutschen Bahn kommen auf jeder Strecke noch zwei Stunden Fahrt mit dem öffentlichen Nahverkehr zum Bahnhof hin und von dort zum innerstädtischen Ziel. Das sind insgesamt zwölf Stunden Pendelei jede Woche. Wartezeiten wegen Zugausfalls, Hochwassers oder Verspätungen nicht mitgerechnet.


Fahrtzeit in öffentlichen Verkehrsmitteln:
Zwölf mal 42 (52) sind 504 (624) Stunden reine Fahrtzeit. Das entspricht 21 (26) Tagen. Das sind volle drei Wochen (dreieinhalb Wochen) - ein ausgedehnter Jahresurlaub (fast ein ganzer Monat) mit dem einzigartigen Service der Deutschen Bahn. Schales Bier, schlaffe Brötchen, billige Kekse und ekelhafte Toiletten. Drei-ein-halb-Wochen-lang. Und als Sahnehäubchen obendrauf die großartigen Lautsprecherdurchsagen. Genauso stelle ich mir die Hölle vor.

Wer pendelt, verbringt oft mehr Zeit in Zügen oder
am Bahnhof als mit seiner Familie.
Die Arbeitszeit ist da noch nicht eingerechnet.

Überwundene Distanz:
In Kilometern sind das rund 580 Kilometer pro Strecke, 1.160 Kilometer pro Woche, 60.320 Kilometer pro Jahr - die Extrafahrten mal nicht mitgerechnet. Der Erdumfang misst gut 40.000 Kilometer. Herr Zumbrechenflexibel ist also in einem Jahr anderthalb Mal ¢rum. Und hat auch alle Klimazonen mitgenommen: von krachend kalt bis unmenschlich heiß.


Geteiltedoppelte Einsamkeit:
Der unerfreuliche Zustand dauert bisher 294 Tage und ebenso viele Nächte. Etwa 168 Nächte - Urlaube und Feiertage mal nicht mitgerechnet - haben wir seit Oktober in unterschiedlichen Städten verbracht. Ich mit der Brut in einem schönen Haus mit Garten, er - lassen wir das. 42 (52) weitere Tage sind Home Office Tage und damit weder Fisch noch Fleisch. Nur zwei Tage pro Woche sind wir wirklich alle zusammen. Das sind 104 Tage im Jahr inklusive Schlafzeiten, in denen alle Höhen und Tiefen des Familienalltages Platz finden müssen. Spannend. Nee. Dicht. Zum Bersten dicht.


Aber dafür haben wir Platz: Insgesamt 9 Zimmer, etwa 230 Quadratmeter PLUS Garten, verteilt auf die gesamte Republik. Kosten des erweiterten Lebensraums: Rund 12.000 Euro - die vergammelten Lebensmittel in getrennten Kühlschränken mal nicht mitgerechnet. Dazu kommen noch empfindliche Verdienstausfälle durch Kinderbetreuung, erhöhter Bedarf an professioneller Unterstützung in der Haushaltführung/Kinderbetreuung.



Alles für den Job.

Lohnt sich.

Echt. 

+++ Eilmeldung +++ Eilmeldung+++ Eilmeldung+++ Eilmeldung+++

Herr Zumbrechenflexibel stand heute zwei Minuten am Gleis und versuchte VERGEBLICH in seinen Zug einzusteigen. Die Türen waren zu und blieben zu, obwohl ein Zugbegleiter seine Bemühungen, in den Zug zu gelangen, beobachtet hatte. Er musste mitansehen, wie der Zug ohne ihn vom Gleis rollte und den nächsten nehmen. Ankunftszeit statt 20.23 Uhr 21.38 Uhr. LIEBE BAHN, das ist verschenkte Lebenszeit eurer Kunden. Aus Rücksichtslosigkeit eures Personals. Echt zum Kotzen.

Mittwoch, 10. Juli 2013

Home. Sweet. Home.

Für die Holzschnitzer aus dem Allgäu: DAS ist das Symbol
für Düsseldorf. Der Dom ist in der anderen Stadt.
Kolossal, was man in 48 Stunden unterbringt, wenn man muss will. Rund 600 km Deutschlandtournee, eine Schulanmeldung, eine Kita-Anmeldung, ein Mittelalterfest, Stippvisite bei Freunden und zu guter Letzt den alten neuen Heimathafen anlaufen. Bis in die Puppen am Rhein sitzen, Leute und Schiffe gucken. Leute und Fluss riechen. Leute, Motoren und Schiffe hören. Ankommen. Einatmen. Ausatmen.

Wieder genau da, von wo aus wir vor neun Jahren - ja richtig: neun gleich drei mal drei gleich drei Stationen - gestartet sind. Gehe wieder zurück auf Los und streiche keine 4.000 Euro ein. Toll ist, dass das Leben kein Spiel ist. Wir kommen nach dieser Runde nicht mit leeren Händen. Hätte ja sein können. Aufbruch in die große weite Welt nach dreimaldrei Stationen gescheitert und heulend wieder heimgekehrt. Mitnichten. Hier und da ein paar Federn gelassen. Aber immerhin wissen wir jetzt wie man ein Haus kauft. Und wie man es wieder verkauft, ohne hinterher völlig nackt da zu stehen. Ist doch was. Eigentlich ist das sogar sehr viel. Fragt mal eine Bank. Oder das Finanzamt.

Wenn man es poetisch mag, hat sich ein Lebenskreis geschlossen. Toll. Mythen bewegen sich in Zeitzyklen. Schön für Götter und Helden. Oder? Klar! Man braucht nur lange genug zu warten. Dann kommt man wieder am Anfang vorbei und muss den ganzen Scheiß darf alle Gelegenheiten des Lebens nochmal nutzen. Jetzt mal ehrlich - hört sich doch nach Murmeltiertag an. Zwar nicht nur ein. und. denselben. Tag. immer. wieder. holen. Sondern ein ganzes Menschenalter. Uuuuaaah! An dieser Stelle bin ich gerne Mensch. Wirklich. Alles kommt genau einmal und ist dann durch. Sportunterricht zum Beispiel. Oder Pubertät. Oder ein Jahr Fernehe mit zwei Kindern. Zyklisch wäre da echt Mist. Und mal ehrlich: Ach bei den schönen Sachen ist die ewige Widerkehr nicht wirklich prickelnd. Denn ein erstes Mal - WAS AUCH IMMER - ist bei der dritten Widerholung irgendwie Routine.

Wenn man die Wanderung aus dem Rheinland an die Spree und wieder zurück aber unbedingt aufladen will, ist die generationenübergreifende Perspektive spannender. Da kommt nämlich tatsächlich so etwas wie nomadisches Lebensgefühl auf. Als hätte meine Sippe seit Generationen genau diese Pendelbewegung ausgeführt: Rhein-Spree-Rhein-Spree.... Immerundimmerwieder. Immer auf den Spuren der Arbeit: Ende der 30-er mit der Rheinmetall-Borsig AG von Köln/Mühlheim nach Tegel. Ende der 60-er von Tegel nach Düsseldorf. Ende der 2000-er bewegt sich der Trail wieder gen Tegel. UNS ist der 30-Jahre-Tonus ja wie gesagt viel zu langsam und wir verkürzen den Tonus. Wanderungsturbo an, Dreijahhresrhythmus aktiviert. CHECK. Zurück ins Rheinland. Wahrscheinlich ist die A2 auf unserem Trampelpfad gen Osten und wieder zurück entstanden. Das soll uns erstmal einer nachmachen. Von wegen, Nomaden bringen keine bleibenden Kulturgüter hervor. HA!

Montag, 8. Juli 2013

Duftes Mittelalter

Foto: Herr Zumbrechenflexibel
Ich mag Mittelaltermärkte. Echt jetzt. Man flaniert am Sonntagnachmittag gepflegt an Zelten und Ständen vorbei, in denen possierlich gewandete Grundschullehrer schöne oder leckere Waren in altertümelnder Mundart feilbieten. Oder mit Feuer jonglieren. Oder Stockkämpfe simulieren. Auf Seiler machen oder zünftig aufspielen. Und wenn sie gerade Pause machen, debattieren sie über die DRINGEND notwendige Schulreform nach Fernsehfilosof Richard David Precht. So voll das lebendige Mittelalter halt. Ein empathischer Recke führt Kind Nr.1 mit Engelsgeduld in die Kunst des Armbrustschießens ein. Linnene Kleider mit Trompetenärmeln, wollweiße Hauben, Metzen und Mönche mit ordentlichen Kutten. Doch haltet ein! Irgendwas fehlt. Aber was? Komme nicht drauf.

Mist.

Ach ja! Stimmt. DAS war's! Der bestialische Gestank fehlt. Von verschwitzten, seit Wochen u.gewaschenen Menschen und deren Ausscheidungen. Und die Läuse. Und der Lärm. Kranke oder gefährliche Bettler, echte Beutelschneider. Menschen, die sich beim Anblick eines schwarzen Ziegenbocks bekreuzigen. Oder den Nachbarn wegen Paktiererei mit dem Teufel oder Ketzerei denunzieren, weil er ihn falsch gegrüßt oder seiner Tochter hinterher gegeiert hat. Der ganze Real-Live-Kram eben. 

Aber wer braucht sowas an einem sonnigen Sonntagnachmittag schon? Dann lieber ein Traubenwecklin erstehen, ebenso eine handgeschöpfte Seife für "das alljährlich Bad" und sich dann vor den Musikantenwagen in die Sonne setzen und die Show der "Filia Irata" genießen. Die haben echt was drauf, die Damen. Mit Pauke, Dudelsack, Schellenstiefeln und Mandoline haben die den Anger gerockt. Da kann ich die extatische Maid in Bequemschuhen und orientalischer Pluderhose fast verstehen, die völlig selbstvergessen als einzige über die Wiese gehüpft ist. Mit Yingundyangtättuh auf der Schulter. Sowas von spirituell im Flow. Im Mittelalter hätte sie mit diesem Gebaren wahrscheinlich die Nachbarn, die Bürgerwehr und die Inquisition auf dem Hals. Oder etwas tiefer. Aber das ist jetzt kleinlich.

Sonntag, 7. Juli 2013

Woha - ist DAS schön hier...

... ist ja kaum zum Aushalten! Also lieber schnell wieder weg! Der große, üppig blühende Garten mit Rosen, uralten Obstbäumen, Beerenhecken, einer  Scheune, einer Holzhütte und echtem Fluss am Fuß des weichen, sanft abfallenden Rasens erscheint mir wie eine irdische Version des Garten Eden. So ähnlich MUSS der Garten gewesen sein, den Gott dem ersten Menschenpaar angelegt hat und durch den er in der Abendkühle selbst spaziert ist, um sich von Angesicht zu Angesicht mit seinen Geschöpfen zu unterhalten. Ok - statt der Schlange gibt es hier nur Waschbären. ABER die haben es auch extrem auf Obst abgesehen.

Und jetzt mal wieder ganz diesseitig: Dieser Garten ist so schön, dass man nicht mehr weg möchte. Es gibt viele schattige Winkel mit kleinen Sitzgruppen, auf denen man sich von den Mühen des Alltages ausruhen kann. Vielleicht auch ein bisschen verstecken. Alles gewachsen - mit viel Zeit und viel gärtnerischem Engagement. Dieser Garten wird seit Generationen kultiviert. Es gibt Windlichter, die nach Sonnenuntergang den Weg vom Wasser hoch zum Haus markieren. Es gibt einen weinumrankten Freisitz mit Strandkorb, wo man sich wohldosiert sonnen kann. Es gibt perfekt platzierte Dekorationselemente, die das Licht in den Bäumen einfangen und mit ihrer Beute spielen. Polster und Streichhölzer, frische Kerzen und Teelichter sind alle gut geordnet in der selbst gezimmerten Holzhütte deponiert, sodass man verloschene Lichter schnell ersetzen kann. Alles ideal geordnet und eingerichtet.

Im Vergleich dazu schrumpft unsere nomadische Ausstattung gefühlt auf einen Rucksack zusammen. Einen sehr großen Rucksack - zugegeben. Aber diese Vielfalt an Dingen, die alles ein bisschen schöner und bequemer machen gibt es bei uns nicht. Das liegt zum einen an meiner tief sitzenden Krempelphobie. Wer dauernd umzieht, verkneift sich die Dekoabteilung, weil der Kram nur die Kisten füllt und hinterher nicht mehr richtig unterzubringen ist. Zum anderen geht eben auch viel zu Bruch und wird nicht ersetzt. Leichtes Gepäck eben. Nur das Nötigste. Und Spielsachen. Viele davon.

Neben der Vielfalt fehlt auch die Ordnung. Mit jeder Wohnstatt ändern sich schließlich die Raumverhältnisse und was eben noch funktioniert hat, passt dann nicht mehr. Also erst gar nicht damit anfangen. Jaja. Klar. Ich weiß, dass Ordnung gerade in Umbruchsphasen wichtig ist, damit man maximale Kapazitäten frei hat und sie nicht mit suchen vergeuden muss. Sehr vernünftig. Loblob.

Diese Idylle ist das offensichtliche Gegenteil von Zumbrechenflexibel. Es ist stetig. Und es gaukelt mir vor, dass mein Garten genauso aussähe, schafften wir es endlich mal, länger als drei Jahre an einem Ort zu verbringen. Das ist natürlich Quatsch. VÖLLIG UNREALISTISCH. Weil so ein Garten Arbeit macht. Und eine gewisse Neigung zum Gestalten und Ordnen fordert. Geht mir beides ab. Unabhängig vom dauernden Umherziehen. Und da habe ich sie gefunden, meine Kulturkonstante: zum Überleben notwendige Ordnung. Die übrigen Kapazitäten werden anders belegt. Womit, entscheidet die aktuelle Situation. Ganz einfach.