Dienstag, 24. September 2013

Westfälische Pause - oder so...

Münsteraner Idylle: kein Fahrrad, keine Leute. Schööön!
Quelle: Stadt Münster
Während wir durch die Republik marodiert sind, haben wir übrigens auch mal drei Jahre in Münster Station gemacht. Und zwar nicht während des Studiums, sondern danach, aber vor der Familiengründung und das war das Problem. Denn Münsteraner haben für "erwachsen, aber keine Kinder" keine Kategorie, sodass sie einen entweder ignorieren oder einfach als Student behandeln. Das heißt duzen und bei vermeintlichem Fehverhalten derb zurechtweisen. Sollte man sich wehren, eskaliert die Situation sofort, also besser ruhig verhalten. Besonders wenn man kein Fahrrad besitz, nicht gebürtig aus Münster kommt und nicht katholisch ist. Doofe Klischees? Mitnichten. Versucht mal, da Kontakte zu knüpfen, ohne mit den Leuten schon im Kindergarten gewesen zu sein. Nicht möglich. Mit dem Auto in DEN KREISEL fahren - für Ortsunkundige: das ist der einzige zweispurige Kreisverkehr der ganzen Stadt und die Leute erbeben vor Angst, wenn sie davon sprechen. Böse? Nein. Tatsache - und darauf vertrauen, dass sich die Radfahrer an grundlegende Verkehrsregeln halten. HA! Das Leben in Münster ist nur als Münsteraner angenehm und Humor findet man nur im Tatort. Ich darf das sagen, denn ich will eh nie mehr dahin.

Wovon ich aber eigentlich im Nachgang zum Klassentreffen erzählen wollte, ist meine Begegnung mit der Westfälischen Pause. Dazu muss ich noch etwas weiter ausholen. Ich hatte ja schon öfter erwähnt, dass meine ganze Familie aus Berlin stammt und somit auch das entsprechende Naturell (pampig, aber herzlich) sowie die sprachlichen Gewohnheiten ("Bouletten" und "Schrippen", wa, statt "Frikadellen" und "Brötchen") mein Umfeld beherrschte, solange ich denken kann. Eigentlich berlinerte es allerorten um mich herum, sodass ich in dem festen Glauben aufwuchs, ebenfalls eher Berliner im Exil als Rheinländer im Rheinland zu sein. 

Wie sehr ich mich darin getäuscht habe, musste ich nämlich in Münster erfahren. Ich bin Rheinländer durch und durch: redselig bis geschwätzig, kontaktfreudig, gesellig und vielleicht auch ein bisschen oberflächlich dabei. Das sind dalles Eigenschaften, die mit denen der Westfalen vollkommen inkompatibel sind. Die sind - soweit ich sie kennengelernt habe - eher ruhig, man könnte auch abweisend sagen, einsilbig (oder maulfaul) und - hmmm - "träge", was die Anbahnung neuer Kontakte angeht. Um es kurz zu machen: Es hat drei Jahre gedauert, selbst OHNE KINDER, einen netten Bekanntenkreis aufzubauen.

Dennoch sind wir von Anfang an in unserer Freizeit mehr oder minder häufig mit Menschen in Kontakt gekommen. Und mit denen habe ich mich dann auch gerne unterhalten. Also - um ehrlich zu sein - ich habe sie unterhalten. Denn ich habe das gemacht, was ich in Gesellschaft immer mache, ich rede. Viel. Und mit einigen Schlenkern und Schnörkeln. OK. Mit vielen davon. Und ich persönlich finde das dann auch immer interessant. Aber irgenwann muss auch ich mal aufhören und immer genau dann kam von meinem westfälischen Gegenüber - nichts. Schweigen. Stille. Also genau das, was in einem ersten Gespräch immer besonders unangenehm und peinlich ist. Ich habe dann regelmäßig gedacht "Huuuu! Jetzt hast du wiedermal was total Doofes gesagt. Mist. Peinlich." Schnell Thema wechseln. Und dann habe ich ein neues Fass aufgemacht und wieder viel erzählt. Mit demselben Ergebnis. Stille, Schweigen. Unbehagen. 

Das hat mich belastet. Echt. Sodass ich irgendwann mal mit einer älteren Münsteranerin darüber gesprochen habe: dass ich immer rede und rede und REDE und wenn ich damit aufhöre, die Leute immer total peinlich berührt sind und schweigen. Ob sie da vielleicht einen Rat weiß. Und dann sagt die: "Das musst du nicht persönlich nehmen. Das ist hier einfach so. Wenn ein Gespräch lange genug dauert, entsteht Stille. Das ist die "Westfälische Pause". Das ist gar nicht unhöflich gemeint. Wir sind halt gerne für uns. Wenn ich dich in einer Kneipe treffen würde, würde ich mich auch nicht zu dir an den Tisch setzen, sondern woanders hin. Das machen wir hier so."

AHA.

Hat also nichts mit mir zu tun. Na dann bin ich ja beruhigt. Habe also nichts Blödes gesagt, sondern einfach nur die Redezeit ausgefüllt, sodass mein Gegenüber erstmal mit der Pause dran war. Wie unhöflich von mir, genau in dem Moment weiterzureden, in dem der Westfale eigentlich ansetzen wollte, zu antworten. Vielleicht. Auf jeden Fall ein mentalitätstechnischer Kulturschock. Habe mich in Berlin tatsächlich wohler gefühlt: pampig, aber grundsätzlich offen. Damit kann ich arbeiten.

Jetzt sollte man denken, dass mir als heimgekehrte Rheinländerin im Rheinland dann keine Westfälische Pause mehr begegnet. Bin ja nicht mehr in Westfalen. Weit gefehlt! Während des Klassentreffens ist sie mir tatsächlich hin und wieder über den Weg gelaufen. Diese peinliche Stille nach eigenen Redebeiträgen. Doof ist: Jetzt kann ich es nicht mehr auf die maulfaulen, bornierten Münsteraner schieben. Es muss an mir liegen. Wahrscheinlich habe ich einfach was echt Doofes gesagt. Naja - was solls. Einer muss das ja machen. Wäre ja sonst kein Klassentreffen...

Sonntag, 22. September 2013

Kinder, wie die Zeit vergeht!

Geschafft! Das erste Klassentreffen nach 20 Jahren. Meinem Vater fiel vor zwei Tagen fast das Glas aus der Hand "Was? SO lange ist das schon her?" "Ja. Papa. SO lange." Die Zeit vergeht, ist vergangen, soviel steht fest. Und im Nachhinein ist das irgendwie schneller passiert, als man so denkt oder als man das gerne hätte. Andererseits - wenn ich überlege, was in der Zeit alles gewesen ist, passt es wieder. War nämlich ganz schön viel los, in den letzten zwanzig Jahren (zehn Umzüge, zum Beispiel). Und wenn ich mir jetzt noch vorstelle, dass mir als deutscher Durchschnittsfrau statistisch noch etwa zweimal dieselbe Zeitspanne bleibt, ist das doch gar nicht schlecht. Sollte nicht noch was dazwischen kommen, aber das werde ich ja dann sehen. Oder eben auch nicht.

Aufregend war's auf jeden Fall. Allem voran der Blick in den Kleiderschrank. Man will sich ja dann doch irgendwie von seiner besten Seite zeigen, modisch voll auf der Höhe der Zeit sein. Dazu äußerlich noch in höchster Blüte stehen und innerlich schon mit den ersten Früchten der Altersweisheit gesegnet, kurz: ein vollkommener Mensch. Anziehend, witzig, entspannt, tadellos, was man auf dem Höhepunkt des Lebens eben so sein will. Toller Plan. Leider direkt vom Kleiderschrank sabotiert. DER sagte nämlich: "Schätzchen, du bist modisch irgendwo Ende der 90er stehen geblieben, hast dir in den vergangenen Jahren nur bügelfreie Funktionskleidung gekauft und selbst die ist mittlerweile schäbig, bekleckert oder weg. Sieh es ein, weine ein bisschen und geh' in Sack und Asche." HA! Da hat er die Rechnung aber ohne die gute Fee gemacht. Die hat nämlich mit neuen Jeans und Schuhen ein bisschen nachgeholfen. "Um die Bluse musst du dich aber selber kümmern, Schätzchen." "Alles klar. Habe ich. Zu Hause. Aber nenn mich nicht "Schätzchen", Alte!"

Ich also wieder nach Hause und habe da eine dreiviertel Stunde nach der scheiß Bluse gesucht. Gefunden habe ich sie schließlich auf dem Grund einer leeren Pampers-Kiste, kellerfeucht und total zerknittert. Aber sauber. Toll. Leider war dann das Bügeleisen weg. Herr Zumbrechenflexibel hat es über das Wochenende mit nach Nordhessen genommen. Die Kinder auch. Letzeres ist praktisch. Das mit dem Bügeleisen eher doof. Tatsächlich habe ich dann noch in meinem Kleiderschrank eine andere weiße, gebügelte UND gestärkte Bluse gefunden. Wie die da rein kommt - keine Ahnung.

Der letzte Blick in den Spiegel stellt einigermaßen zufrieden: modisch in der Zeit, innerlich gereift, also offensichtlich mit Gewinn gelebt und weiterentwickelt, dabei kaum gealtert - oderOderO.D.E.R.? Und dann kommt er, DER SATZ, der alle diese Bemühungen vereitelt, vernichtet und einen brutal wieder auf den Boden der Tatsachen holt: "Mensch, du hast dich ja gar nicht verändert!" Arrrgh! Dann hätte ich auch den Schrott aus dem Schrank anziehen und mit Dauerwelle in "schwarze Kirsche" und Chucks gehen können. OK. Ich sehe also in den Klamotten von heute noch so aus wie damals. Eigentlich doch nicht so schlecht. Ziemlich gut sogar. Oder? Ja. Puh! Hätte schlimmer kommen können. Zum Beispiel: "Ach du Scheiße! Wie siehst DU denn aus???" Oder "Äh. Hallo. Hmmm. Hilf mir mal - wer bist du nochmal?"  Oder "Entschuldigung - der Tanztee für rüstige Senioren ist nebenan."

Äußerlich unbeschadet durch 20 Jahre gegangen zu sein, ist ein Erfolg. Vor 500 Jahren wäre ich in diesem Alter mit großer Wahrscheinlichkeit schon tot, hätte keine Zähne mehr, dafür aber etwa 20 Kinder, von denen nur wenige das sechste Lebensjahr erreicht hätten. Ich will also gar nicht meckern. Die anderen haben übrigens auch keinen Grund zu meckern, denn die haben sich auch alle gar nicht verändert. Cool, oder? Dass man heute mit knapp 40 der jugendlichen Ausgabe seiner selbst so ähnlich sieht.

Davon mal ab: wovor ich wirklich ein bisschen Schiss hatte, waren ein paar alte Geschichten. Die wirklich sehr lustig sind, wenn man nicht gerade selber die Hauptperson ist. Ich hatte fest damit gerechnet, die schon am Eingang in treffenden Schlagworten entgegengeschleudert zu bekommen. Sie kamen aber nicht, denn man hatte sie vergessen. Einfach so. Die Zeit macht doch einen recht guten Job. Letztendlich habe ich die sehr spät abends selber nochmal erzählt. Denn ich bin ja innerlich gereift und stehe jetzt sowas von über den Dingen. Die richtig peinlichen Details habe ich aber weggelassen. Bin ja nicht doof! Die hebe ich mir für das 40-jährige Klassentreffen auf. 

Freitag, 20. September 2013

LED Echtwachskerzen

Kennt ihr das, wenn ihr was seht, das euch einfach dem Atem verschlägt und ihr nicht mehr so recht wisst, was ihr darüber denken sollt? Ob ihr dann überhaupt noch denken KÖNNT? Geht mir häufig so. Echt. Vielleicht so oft, dass die Momente, in denen ich ruhig, regelmäßig atme und sogar noch denke dabei, eher die Ausnahme sind. Weil mir so vieles ob seiner Derb-, Doof- oder sonstigen -heit schlicht die Sprache verschlägt, habe ich aus reinem Selbstschutz aufgehört, Privatsender zu sehen. Ich wäre sonst mittlerweile stumm wie ein Fisch.Aber manchmal überrascht einen der Schrott, wo man nicht damit rechnet. Ich hatte zu Beginn mal von der visuellen Kollision mit einer Klopapierreklame in Tegel berichtet. Heute ist mir was vergleichbares begegnet. Und zwar bei Tchibo.

OK.

Ich gebe zu, dass man da außer Kindergummistiefeln eigentlich auch nichts wirklich brauchbares erwarten darf, aber das Folgende hat mich ECHT erschreckt: Eine ausgehölte Echtwachskerze in Braun-Silber mit LEDs drin. Und die flackern auch noch. Der Werbetext beschreibt das Ding mit "flackernde Kerzenimitation - ohne Brandgefahr". Offensichtlich ist die Abwesenheit der Brandgefahr das einzige, was hier selbst Profis positiv hervorheben können. Mal ehrlich: bevor ich mir sowas ins Regal stelle, lasse ich die Hütte abbrennen. Bis auf die Grundmauern. ECHT. Das muss man sich mal vorstellen: Ein hohler, bleicher Wachsrundling, oben vollkommen glatt gefräst, außen mit silberfolienveredelten "Borkenoptik", die man aber nur 'nem Blinden als solche verkaufen kann. Und drinnen zuckt ein künstlich erwärmtes Kunstlicht.

Warum stellt man sich sowas in die Wohnung? Schönheit, Romantik oder "natürliches Ambiente" scheiden ja aus.

Ich bin wirklich ratlos.

Donnerstag, 19. September 2013

Chaos im Arbeitszimmer

Heute bin ich pünktlich zu Arbeitsbeginn in mein noch funktionsloses Arbeitszimmer gestiegen, um mal schnell klarschiff zu machen und dann ein paar ECHT WICHTIGE Sachen zu erledigen. Dürfte ja kein großes Ding sein, denn die Packer hatten ja alles ausgepackt, Tisch, Regale und sogar die Lampen montiert, sodass es auf den ersten Blick gar nicht scheiße aussah. Im Gegenteil - es sah sogar ok aus. Also normal. MEIN normal. Was soll ich sagen? Ich bin mit meinem Vorhaben kläglich gescheitert. Und zwar nicht an MEINEM Chaos, sondern an einem, das noch viel größer ist. Mein Chaos hat in dem der Packer sozusagen seinen Meister gefunden. Oder um es anders zu formulieren: die haben mein Chaos in Berlin einfach eingepackt, auf der Strecke dann ein bisschen durchgeschüttelt und am Ende wieder ausgepackt. Aber nicht in der richtigen Reihenfolge. Auch nicht umgekehrt. Sondern einfach irgendwie. Sie haben einfach alle Kisten vollkommen sinnfrei auf allen horizontalen Flächen entleert. Kistendurchfall. Mist.

Und das Gemeine ist: Sie haben das so geschickt gemacht, dass man es bei einer flüchtigen Passage gar nicht entdeckt hat. Denn sie haben den Mist rechtwinklig angeordnet, was beim entsprechend eingenordeten Mitteleuropäer sofort den Ordentlichfindenreflex auslöst.

Ich komme also heute morgen in mein ordentliches Arbeitszimmer und will nur kurz Platz auf dem Schreibtisch für meinen Klapprechner machen. Das fängt es schon an. Genau an der Stelle, wo eigentlich mein Laptop hingehört, liegt ein schwarzer Klapptisch mit USB-Anschluss und Leselampe, der einem schon in der Vortablet- und Smartphonezeit aufgeräumten Medienkonsum im Bett ermöglicht hat. Den habe ich vor die Tür gestellt. Das war einfach. Toll. Neben den gerade frei gewordenen Ort steht ein monströser Farblaserdrucker. Den habe ich nicht mal um einen Zentimeter verrücken können. Mist. Also weiter: Daneben steht ein Multifunktionsdrucker mit Flachbettscanner. Tinte eingetrocknet, Scanner funktioniert nur an einzelnen Tagen, die er aber vorher nicht ankündigt. Kopierfunktion fällt aus, weil ja Tinte eingetrocknet. Warum steht der eigentlich noch hier??? Daneben liegt ein Blätterhaufen. Ich fange an, die Blätter zu sortieren, finde aber die Ordner nicht, weil sie mit dem Rücken zur Wand stehehen.

O. K. ...

Babyratgeber stehen neben Fachliteratur, Druckeretiketten liegen auf Urlaubsfotos. Kein Ding hat einen annähernd haltbaren Platz. Naja - der Stuhl vielleicht. Wo kommt bloß dieser ganze Kram her? Wer braucht den?? Habe ich nicht irgendwann mal gesagt, wir reisten mit leichtem Gepäck? HA! Ich hatte ja keine Ahnung!!! Mir fällt eine Süddeutsche aus meinem Privatarchiv in die Hände - Titelgeschichte ist die Trauerfeier von Johannes Paul II. Spiegel zum Wahlsieg Obamas. Wohin bloß damit? Alle Ordner aus dem Regal. Ebenso alle Bücher. Büromaterialien auch. Der gesamte Zimmerboden verschwindet unter Stapeln von Büchern, wichtigen Unterlagen und Krempel. Manchmal habe ich an der Spitze des Stapels seinen Grund vergessen. Also nochmal umschichten. Der Arbeitstag ist zu Ende, bevor ich den Boden wiedergesehen habe.

Morgen nehme ich eine Grubenlampe mit. Proviant, Wasser für 14 Tage und ein Notstromaggregat. Nur für den Fall, dass die Unordnung noch tiefer reicht, als es sich heute absehen ließ. Man weiß ja nie so genau. Warum hat mir das bloß keiner vorher gesagt?! In drei Jahren werde ich - sollte sich mal wieder ien Umzug ankündigen - einfach Urlaub machen. LAAAAAAAAAAAAANGE

Dienstag, 17. September 2013

Auftauchen

Ein bisschen 90er-Schick. Ich weiß. Aber irgendwie beruhigend.
ICH BIN WIEDER DA!!!

Damit meine ich nicht nur auf diesem Kanal, sondern so allgemein. Der Umzug ist jetzt drei Wochen her - also der eigentliche Transit von Berlin ins Rheinland - und ich habe heute zum ersten Mal Zeit UND Glelegenheit, mal wieder durchzuatmen. Zumindest für drei Stunden. Und darüber zu schreiben - selbstverständlich. Das heißt: Ein bisschen Kopf schaut wieder aus dem chaotischen Urmeer vollkommen ungeordneter materieller, struktureller und i.n.f.a.n.t.i.l.e.r. Sachzwänge. 
Das ist SO anstrengend. 
Alles. 
Echt. 

BOAH!!!

Heute fühlt es sich so an wie der erste Atemzug nach einer langen Tauchstrecke. Gierig. Leicht panisch. Absolut gegenwärtig. Das Bild der langen Tauchstrecke passt. Könnt ihr euch noch erinnern, wie es war, für eins dieser Schwimmabzeichen einmal die ganze 25-Meter-Bahn durchtauchen zu müssen? Für so'nen Wimpel, den man sich dann an den Badeanzug nähen konnte und jeder schon von weitem sah und dachte: "Boah! Die/der kann 25 Meter weit tauchen. Ist ja toll." Klar war man stolz. Man musste diesen Badeanzug deshalb aber leider auch dann noch tragen, als er schon viel zu klein war, weil ja dieses scheiß Abzeichen drauf war. Dieses Problem würde ich heute anders lösen.

Aber ich war ja beim Tauchen. Man steht also auf dem Startblock und weiß: Das wird jetzt unangenehm, saumäßig anstrengend und brennt in den Augen. Aber es ist zu schaffen. Und man will ja diesen Wimpel. Irgendwann holt man einmal tief Luft, hält den Atem an und springt soweit wie möglich ins Wasser. Ist das geschehen, zählt nur noch die zielgerichtete Bewegung. Entlang der Linie aus schwarzen Kacheln auf dem Grund. Zug um Zug. Bald drückt's und hämmert's überall und man will nur noch Luft holen, aber das geht nicht, denn man muss ja Strecke machen, um DAS ZIEL zu erreichen. Zug um Zug um Zug. Wenn es gut läuft, ist man da, BEVOR es unerträglich wird. Der Puls rast und die Bewegungen werde fahrig. Dann taucht man auf. In dem Moment zählt nur der erste Atemzug. Und erst, wenn das gesamte Sensorium wirklich sicher ist, doch nicht ertrinken zu müssen, kommt die Freude darüber, es wirklich geschafft zu haben.

Um wieder trocken zu reden: Die Möbel stehen. Die Sachen - außer meinen - haben alle wieder einen eigenen Platz. Der Tag bekommt einen eigenen Rhythmus. Manche Wege und Abläufe erinnern schon wieder entfernt an Routine. Ich könnte heulen. 

Dennoch herrscht ein Gefühl der Fremdheit vor. Abseits der Routen zur Schule und zum Kindergarten, zu Tankstelle und Supermarkt ist die Landkarte einfach noch weiß. Und wenn man mal ohne Navi zum Zoo fährt, endet man irgendwo in Rhein-Ruhr und der Tank ist alle. Existenziell bedrohlich. Die Gesichter auf den Straßen sind fremd und der Dialekt klingt falsch. Ich erwarte irgendwie immer noch die Berliner Sprachmelodie. Also in doppeltem Sinne aufgetaucht. Zum einen aus dem Umzugschaos und zum anderen in einer unbekannten Umgebung. Plopp! Da bin ich. Interessiert aber zunächst mal keinen. Naja. Das wird sich ändern. Die werden mich schon noch kennenlernen. HA!

Zunächst aber mal zu den wichtigen Dingen. Die nächsten Schritte werden sein: 
  1. einen Maler suchen und ihn mit der Beseitigung der Wohnspuren anderer Leute zu betrauen. Nach Möglichkeit mit den Farben unserer Vorlieben.
  2. uns RÜCKWIRKEND von den ganzen Berliner Versorgern abmelden
  3. unseren Fuhrpark vor Ort anzumelden. Wovor es mir graut. Nicht wegen der Bürokratie. Auch nicht, weil wir dann das Berliner Kennzeichen als letzte offizielle Verbindung zu den letzten sechs Jahren abgeben müssen. Es ist viel schlimmer. Wir werden ein METTMANNER Kennzeichen bekommen. Und das mir als Düsseldorferin. Die größte Demütigung, die man sich so vorstellen kann. Ach nee. Das wäre ja ein Nummernschild aus Köln.
 Puh! Glück gehabt...

Sonntag, 1. September 2013

Resümee von 7 Tagen

Man vergisst die Zeit, wenn es keinen Anlass gibz, dauernd über sie nachzudenken, stattdessen vom ersten Hahnenschrei bis in die tiefe Nacht packt und räumt und wischt und packt und räumt und fährt und packt und wischt.... Es ist, zugegeben, etwas eintönig. Egal, ob man nun ein- oder auspackt. Ob man Fettschmutz oder Staub wischt. Ob man von Berlin westwärts fährt oder zum 10. Mal von einer rheinischen Stadt in die andere. Und wieder zurück.

Aber es ist unfassbar, was man in sieben Tagen alles schafft, wenn die Dinge optimal laufen. Und die weltbesten Organisationsgenies am Start sind. Ich will mal kurz den Ablauf bis hier dokumentieren:

Sonntag, 25.8.2013
Kinder aus Berlin nach Helmstedt gefahren, dort den Großeltern übergeben, wieder nach Berlin, dort Koffer gepackt, mich schön gemacht und auf nach Mitte, um dort Hochzeitstag zu feiern. Weit nach Mitternacht heimgekommen, lange wachgelegen.

Montag, 26.8.2013
Wecker geht um sieben. Den Rest lest unter Take-off. Abends nochmal nach Mitte.

Dienstag, 27.8.2013
Wecker geht um halb acht. Packer kommen heute pünktlich um acht. Na sowas. Bis eins wird gepackt. Das Haus ist leer. Parallel findet die Eigentumsübergabe mit den neuen Besitzern und Makler statt. Haus wird mit großartiger Hilfe von allen Staubmäusen, Krusten und Aufkleberresten befreit. Schlüssel ist weg, wir sind endgültig raus und brechen um 16 Uhr zum letzten Mal aus Heiligensee in Richtung Autobahn auf. Die Bilder sind so alltäglich und vertraut, dass es einfach nicht uns Hirn will, dass diese Fahrt die allerallerletzte ist. Naja. Fünf Stunden Fährt bis Düsseldorf Auf einen Absacker zu meinem Vater. Der uns mit gutem Wein und starker Suppe versorgt. Um zwölf geht der Tag zu Ende.

Mittwoch, 28.8.2013
Wecker geht um halb sieben. Frühstück, Sachen packen, Auto holen, auf in die neue Stadt, wo der 18-Tonner die Bundesstraße blockiert, an der wir jetzt wohnen. Es wird ausgepackt. Das Highlight des Tages: Unsere unbeschreiblich schweren Schlafzimmerschränke müssen in toto über das Sonnendeck im ersten Stock ins Haus. Das machen die zu fünft, ohne weitere Hilfsmittel als Spanngurte. Keiner wird verletzt, die Schränke nicht beschädigt, alles gut. WAHNSINN.
Der Rest ist doof, denn sie sollen auch auspacken. Machen Sie auch: aus den Kisten raus und dorthin, wo auf horizontalen Flächen Platz ist.

Donnerstag, 29.8.2013
Der Wecker geht wieder um sieben wur kommen wieder zu spät, der Lkw blockiert wieder die Straße und die Packer geben sich Mühe, können aber zu 60% leider nicht denken. Schade. Herr Zumbrechenflexibel schwirrt gegen Mittag nach Düsseldorf ab, um dort die Wohnung aufzulösen. Er wird damit bus nachts um elf beschäftigt sein. In der Zwischenzeit habe ich die Küche als ersten Ruhe- und Ordnungspunkt inmitten des Chaos installiert und bereite als gute Hausfrau den schwer schuftenden Männern Schnittchen und später Nudeln mit deftiger Soße zu. Am Ende des Tages hängen alle Lampen, stehen alle Möbel, die Zweitwohnung ist leer und wir wissen, wie der Herd funktioniert. Erste Nacht im neuen Haus.

Freitag, 30.8.2013
Das ganze Ausmaß der Fehlpackerei wird deutlich und lässt mich verzweifeln. Die haben alles falsch gemacht, sodass man mit dem Nachsortieren mehr Zeit braucht, als hätte man es gleich selbst gemacht. Um Zwei in die Düsseldorfer Wohnung zum Putzen. Um Punkt vier Übergabe, um vier Uhr fünfzehn sind wir ohne Mängel aus dem Vertrag entlassen. Um halb fünf sitzen wir im IKEA-Restaurant und essen Pommes. Stauraum für Kleidung und diverse Kleinteile werden eingerafft. Danach wieder "nach Hause". Dort wird weiter geräumt und sortiert. Und darüber die Verabredung auf einen Rotwein mit der besten Freundin vergessen. Wie konnte das nur passieren???

Samstag, 31.8.2013
Auspacken, sortieren, aussortieren. Für jedes Ding einen neuen Platz finden. Zunächst in den Kinderzimmern. Herausfinden, dass IKEA-Lösung für Klamottenstauraum scheiße ist und den zweiten Karton um Viertel nach acht, nach einem weiteren Tag im Chaos, zurückbringen. Dann gegen neun bei Freundin auf der ungeheuer weichen Couch bei einem Glas Wein und Nüssen zusammensinken und erst nach Mitternacht die Kurve nach Hause kriegen.

Sonntag, 1.9.2013
Um zehn Uhr ohne Wecker wach werden, frühstücken. Herr Zumbrechenflexibel fährt die Kinder holen und ich mache die Wäsche, räume den Tisch ab und räume, räume, räume. Ich kann gar nicht mehr aufhören damit.