Donnerstag, 28. Januar 2016

Hilfe von der 089/46636942


Ich habe mein Mittagstief überwunden und arbeite gerade konzentriert. Das klingelt mein Handy. Auf dem Display steht eine Münchener Nummer. Keine Ahnung, wer das sein könnte. Bin neugierig und gehe ran.

Ich: Hallo?

Guten Tag. Ich bin eine Frau mit sehr unangenehmer Stimme, bayerischem Dialekt und unverständlichem Namen (Frau uSbDuuN). Ich arbeite für ein Unternehmen, das drittklassige Callcenter damit beauftragt, unbescholtene Bürger aus ihrer aktuellen Tätigkeit zu reißen und sie mit ärgerlichen Anfragen zu belästigen. Spreche ich da mit Frau … Zumbrechenflexibel?

Ich: Worum geht es denn?

Frau uSbDuuN: Wie schon gesagt, Frau Zumbrechenflexibel, sind wir ein Vermittlungsunternehmen, das Ihnen hilft, den günstigsten Strom- oder Gasanbieter zu finden. Geben Sie mir bitte einmal ihre Zählernummer.

Ich: Wieso sollte ich Ihnen meine Zählernummer geben?

Frau uSbDuuN: Damit ich Ihnen helfen kann, Frau Zumbrechenflexibel, den für Sie günstigsten Energieanbieter zu finden.

Ich: Ich habe Ihren Namen eben nicht verstanden - mit wem spreche ich denn eigentlich? Ich kenne Sie gar nicht.

Frau uSbDuuN [leicht genervt]: Das läuft so wie beim letzten Mal, Frau Zumbrechenflexibel. Sie sagen mir jetzt einfach Ihre Zählernummer und ich suche dann wieder den besten Tarif für Sie heraus.

Ich: Beim letzten Mal? Komisch. Ich kann mich gar nicht erinnern, in der Vergangenheit mit jemandem über meinen Energieanbieter gesprochen zu haben. Aber wenn es ein letztes Mal gegeben hat, dann müssten Sie die Zählernummer doch kennen. Schließlich haben Sie doch dann was für mich vermittelt?

Frau uSbDuuN [spricht lauter]:  Ja genau. Dafür brauche ich jetzt Ihre Zählernummer, Frau Zumbrechenflexibel.

Ich: Wenn das beim letzten Mal schon so super geklappt hat, sagen Sie mir doch kurz mal bei welchem Energieanbieter ich jetzt bin, vielleicht habe ich ja schon den besten Tarif. Dann bräuchten Sie gar nichts mehr zu machen. Meinen Namen haben Sie ja offensichtlich schon.

Frau uSbDuuN [spricht jetzt sehr laut]:  Sie haben das nicht verstanden, Frau Zumbrechenflexibel. Wir sind eine Energievermittlungsagentur, die den Bürgern hilft, den für sie günstigsten Strom- und Gastarif herauszufinden. Dazu brauche ich jetzt mal ihre Zählernummer. 

Ich: Ich will Ihnen aber meine Zählernummer nicht geben, bevor Sie mich davon überzeugt haben, dass Ihr Unternehmen tatsächlich schon einmal für mich gearbeitet hat. Sonst wäre das nämlich Kaltakquise. 

Frau uSbDuuN [spricht jetzt sehr langsam]: Ich habe Ihnen das doch jetzt schon mehrmals erklärt. Wir vermitteln den Bürgern die für sie günstigsten Strom- und Gastraife.

Ich [jetzt auch mal laut]: Ja. das habe ich schon verstanden. Ich will aber wissen, warum Sie mich anrufen und meine Zählernummer haben wollen, wenn wir noch nie zusammen gearbeitet haben. Dann ist das nämlich verboten, was sie da machen. 

Frau uSbDuuN: Klick

Ich: Hallo? Heißt das jetzt, dass wir uns doch nicht kennen oder wie?

Freitag, 19. Juni 2015

Sind ja nur Metadaten

Metadaten sind so individuell wie ein Fingerabdruck und
leuchten persönliche Beziehungen vollständig aus.
Wenn Befürworter der Vorratsdatenspeicherung argumentieren, steht eine Ansage immer ganz hoch im Kurs: Es werden ja nur Metadaten erhoben. Die Inhalte weden gar nicht aufgezeichnet.

Na da bin ich aber froh! Andererseits sind meine Gespräche immer äußerst geistreich und unglaublich visionär - wenn ich so recht darüber nachdenke, finde ich gerade schon, dass die immer mitgeschnitten und einem möglichst großen Publikum zur Verfügung gestellt werden sollten.

Spaß beiseite. Wer meint, dass Metadaten vollkommen öde sind und gar nichts bringen, lese mal die folgende Geschichte zu drei Rufnummern. Nennen wir sie spaßeshalber
A (Festnetznummer in Buxdehude)
B (Handynummer) und
C (Handynummer).

Handy B wird jeden Morgen um 6.30 Uhr in Buxdehude eingeschaltet. Es bewegt sich von dort gegen acht Uhr weg und hält sich den Rest des Tages etliche Funkzellen weiter entfern auf. Jeden Wochentag gegen 12.30 Uhr ruft Handy B Festnetzanschluss A an. Der Anruf dauert zwischen zwei und fünf Minuten.

Gegen 17 Uhr ruft Festnetznummer A auf Handy B an. Die Anrufe dauern wenige Sekunden, maximal zwei Minuten.

Am Wochenende unterbleiben diese Kontakte.

Gegen 23 Uhr schickt Handy B mehrmals die Woche eine SMS an Handy C. Kurz darauf ruft Handy C bei Handy B an. Die Gespräche dauern etwa eine Stunde.

Bewegt sich Handy B während der Woche für einige Tage aus den üblichen Funkzellen hinaus, unterbleiben die nächtlichen Telefonate. Dafür stellt man fest, dass Handy C sich in derselben Funkzelle einschaltet wie Handy B.

Die Telefonate mit Festnetzanschluss A sind in dieser Zeit noch kürzer als sonst oder ungewöhnlich lang.

Die Inhalte der Telefonate kann sich jetzt jeder selbst ausdenken.


Freitag, 12. Juni 2015

10 Argumente gegen Vorratsdatenspeicherung

1. Sie ist mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung unvereinbar und kollidiert deshalb mit dem deutschen Grundgesetz.

2. Sie geschieht ohne Anlass und ohne Verdacht. Damit verwandelt sie alle Bürger in mögliche Straftäter.

3. Sie torpediert das Fernmeldegeheimnis.

4. Sie deckt alle persönlichen Beziehungen auf und dokumentiert sie: offizielle, private und verborgene.

5. Sie ermöglicht die Erstellung von Bewegungsprofilen und lässt tiefgreifende Rückschlüsse auf Lebensgewohnheiten jedes Einzelnen zu.

6. Sie diskriminiert.

7. Sie untergräbt die Meinungsfreiheit.

8. Sie ermöglicht Datenmissbrauch.

9. Sie hat keinen Terroranschlag verhindert und die Aufklärungsquote anderer Verbrechen nicht erhöht.

10. Sie führt nicht zu mehr Sicherheit.

Mittwoch, 27. Mai 2015

Offener Brief an Peer Steinbrück anlässlich des Kabinettsbeschlusses zur Vorratsdatenspeicherung



Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

ich habe den heutigen Kabinettsbeschluss zur Vorratsdatenspeicherung mit Schrecken zur Kenntnis genommen. Die Eile, mit der er gefasst wurde ist für mich ein klares Zeichen, dass eine öffentliche Debatte darüber gar nicht erst geführt werden soll. Die Gelegenheit könnte kaum günstiger sein, denn die Republik redet sich gerade über die Gleichberechtigung unterschiedlicher Lebensentwürfe die Köpfe heiß: Niemand soll diskriminiert werden. Vor diesem lärmenden Hintergrund kann ironischerweise heimlich, still und leise ein Instrument implementiert werden, das grundlegender Diskriminierung Tür und Tor öffnet und meinem Verständnis von Demokratie vollkommen zuwiderläuft.
Ich bitte Sie eindringlich, bei der parlamentarischen Abstimmung gegen den Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung zu stimmen, denn durch die anlasslose Massenüberwachung werden Grundrechte willkürlich und massiv eingeschränkt. Befürworter der Vorratsdatenspeicherung sind bisher jeden stichhaltigen Beweis schuldig geblieben, dass die Sammlung der Metakommunikationsdaten einen klaren Gewinn in der Verbrechensbekämpfung mit sich bringt. Ohne einen erwähnenswerten Vorteil zu liefern, bedeutet sie vielmehr einen fundamentalen Eingriff in die durch die Verfassung verbrieften und die Rechtsprechung bestätigten Grundrechte. Das Volkszählungsurteil von Dezember 1983 subsummiert unter Artikel 2 des Grundgesetzes das Recht auf informationelle Selbstbestimmung: 

BVerfGE 65, 1: Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse, die für eine Bundesstatistik gemacht werden, sind, soweit durch Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist, von den Amtsträgern und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten, die mit der Durchführung von Bundesstatistiken betraut sind, geheimzuhalten, es sei denn, daß der Betroffene im Einzelfall in die Übermittlung oder Veröffentlichung der von ihm gemachten Einzelangaben ausdrücklich einwilligt.

Weder das eine - die Geheimhaltung persönlicher Verhältnisse, zu der ich das private Kommunikationsverhalten rechne - noch das andere - die Information des Betroffenen über den Zugriff auf seine Daten - sind bei der Vorratsdatenspeicherung gegeben. Noch in einem Gastbeitrag in der Zeit am 28. Januar 2015 forderte Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz Heiko Maas vollmundig:

Das neue EU-Datenschutzrecht muss vor allem dreierlei leisten: Wir müssen Privatheit schützen und die Selbstbestimmung stärken, das neue Recht muss tatsächlich für alle in Europa gelten und es muss in der gesamten EU auch einheitlich durchgesetzt werden.
Souverän ist, wer über die Nutzung seiner Daten selbst entscheidet. In der Realität ist es mit dieser Datensouveränität oft nicht weit her.

Offensichtlich meinte er damit ausschließlich den Bereich, in dem privatwirtschaftliche Unternehmen wie Google, Facebook & Co Daten abgreifen und misst, denn hinsichtlich der erforderlichen Befugnisse von Behörden offenbar mit zweierlei Maß. Anders kann ich mir seine 180-Grad-Wende in seinen heutigen Statements nicht erklären.

Tatsächlich entsetzt und frustriert mich diese Kehrtwende über alle Maßen. Wie kann ich Politikern auch nur ansatzweise vertrauen, die kein halbes Jahr zu ihren Aussagen stehen und unabhängig von schwerwiegenden Gründen existenzielle Grundrechte ihrer Bürger preisgeben? Auf welcher Grundlage soll ich künftige Wahlentscheidungen treffen? Ich bin über diesen Vorgang vollkommen fassungslos.

Das Mantra, dass ja nur Metadaten und keine Kommunikationsinhalte gespeichert werden, ist Augenwischerei und baut auf die Unwissenheit großer Teile der Bevölkerung, welche Aussagekraft nur wenige Metadaten über die intimsten Lebensgewohnheiten der ausgespähten Menschen haben.
Viele Menschen in meinem Umfeld reagieren auf die Ausspähung entweder resigniert oder unwissend: „Ich habe ja nichts zu verbergen“ wiegeln sie ab und merken gar nicht, dass die anlasslose und massenhafte Speicherung persönlicher Daten, zu denen selbstverständlich auch Metadaten gehören, einen fundamentalen Einschnitt in die Persönlichkeitsrechte darstellt und die Handlungs- sowie die Meinungsfreiheit fundamental bedroht.

Tatsächlich ist vielen Menschen diffus bewusst, dass sie „irgendwie überwacht“ werden. Überwachung ist aber mit der Menschenwürde nicht vereinbar und untergräbt die Meinungsfreiheit: Zahlreiche psychologische Studien zeigen, dass Menschen unter Beobachtung die Meinung der Mehrheit vertreten. Sie tun dies auch dann, wenn diese Meinung offensichtlich falsch ist oder ihrer eigenen Überzeugung zuwiderläuft. Das gilt sogar schon für Kinder. Wer sich überwacht fühlt, wird sich mit seinen Meinungsäußerungen im öffentlichen und möglicherweise auch im privaten Umfeld stark zurück halten, lieber nicht bei google nach potenziell brisanten Themen wie Alkoholabhängigkeit, Errektionsstörungen oder Promillegrenze recherchieren und sich insgesamt bemühen, unauffällig zu leben. Ich wage zu behaupten, dass diese Selbstzensur alle Lebensbereiche durchdringen wird und am Ende auch die Wahl von Freunden und Bekannten beeinflusst. Wer möchte schon die Telefonnummer eines potenziellen Verbrechers/Kinderschänders/Terroristen in seinem Handyspeicher haben, der einen selbst plötzlich ins Zwielicht stellt? 

Ich persönlich möchte jedenfalls nicht in einer Gesellschaft leben, bei der ich - wenn auch unbewusst - jeden neuen Kontakt auf seine potenzielle Verstrickung in ungesetzliche Machenschaften prüfen oder den Beweis antreten muss ein „sauberer“ Kontakt zu sein.

Gegenseitiges Vertrauen ist der Kitt, der eine freie Gesellschaft zusammen hält

Auch wenn die wenigsten Menschen tatsächlich straffällig werden, hat doch jeder etwas zu verbergen. Das mögen schlüpfrige Details im Beziehungsleben oder schwerwiegende persönliche Schwierigkeiten sein. Kommen sie ans Licht, ist der Schaden groß. Deshalb sind gespeicherte Metadaten eine Fußfessel der Handlungsfreiheit, denn sie schränken uns massiv ein. Wer weiß, dass er überwacht wird, verzichtet mit Blick auf eine „saubere Akte“ wahrscheinlich eher auf den Anruf bei einer zwielichtigen Hotline oder bei der Telefonseelsorge, bei einer Schuldnerberatung oder einem Psychotherapeuten. Es ist ein unverzichtbarer Teil der Menschenwürde, sich selbstbestimmt und frei über Hilfen, Angebote persönlicher Neigung etc. informieren oder diese in Anspruch nehmen zu können, ohne befürchten zu müssen, dabei ausgespäht zu werden. Es sind sensibelste Bereiche, die unter allen Umständen vor fremden Blicken - ob von privatwirtschaftlicher oder staatlicher Seite - zu jedem Zeitpunkt geschützt werden müssen. 

Alle Bürger einer freien Gesellschaft müssen davon ausgehen können, dass sie alleine die Kontrolle darüber haben, wann sie wem die Wahrheit sagen - nicht nur die „professionellen Geheimnisträger“. Anderenfalls sind alle Menschen korrumpierbar. Nur wer sicher weiß, dass seine Geheimnisse prinzipiell sicher sind, kann ein selbstbestimmtes souveränes Leben führen. Wer sich dagegen überwacht fühlt, berücksichtigt diese Möglichkeit bei allem, was er sagt, schreibt, unternimmt oder eben lieber unterlässt. Wer sich überwacht fühlt, errichtet sogar im privaten Bereich eine Fassade, und verliert das Vertrauen in sein unmittelbares Umfeld.

Die Vorratsdatenspeicherung führt de facto eine Massenüberwachung ein. Der Staat rechtfertigt dies, indem er seine Bürger unter Generalverdacht stellt und schafft so in demselben Atemzug die Unschuldsvermutung ab - einem der höchsten Güter jedes Rechtsstaates. Wenn von allen alle Metadaten vorliegen, ist es nur eine Frage der Suchkriterien (Wer definiert eigentlich wann jemand etwas „zu verbergen“ hat und mit welchen Konsequenzen?) und Rechnerkapazitäten, bis jeder ein legitimes Ziel der Ausspähung abgibt. Ich möchte meine Kinder nicht in einer Gesellschaft großziehen, in der es normal ist, seine Privatsphäre für eine diffuse „Sicherheit“ aufzugeben ohne, dass es hierzulande in den vergangenen Jahrzehnten jemals eine flächendeckendeBedrohung für Leib und Leben durch Terroristen gegeben hätte, die vom allgemeinen Lebensrisiko verschieden wäre. 

Wenn der Staat nun tatsächlich die „Sicherheit“ seiner Bürger im Blick hat, sollte er sich besser an der amtlichen Sterbestatistik orientieren, um wirklich sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen. Das Statistische Bundesamt belegt in seiner Tabelle der Todesursachen, dass im Jahr 2013 in Deutschland 1.389 Menschen an Komplikationen chirurgischer Eingriffe oder Folgen anderer medizinischer Behandlungen gestorben sind, Tendenz steigend. Terroropfer werden dagegen zu keinem Zeitpunkt als gesonderte Kategorie erfasst. Ich wage zu behaupten, dass ihre Zahl im betrachteten Zeitraum sowie in den vergangenen Jahren insgesamt in Deutschland gleich null war, wenn man die Opfer der NSU ausklammert. Wenn jetzt aber das Risiko, an einer ärztlichen Behandlung zu sterben so viel höher ist, als bei einem Terroranschlag, ist es sinnlos, sämtliche Bürger im Dienste ihrer eigenen Sicherheit unter Beobachtung zu stellen. Besser sollte man sie davon abhalten, Ärzte aufzusuchen, da ebendiese faktisch eine viel größere Gefahr darstellen als potenzielle Terroristen.

Mein Punkt ist: Die Vorteile der „Sicherheit“ liegen nicht auf Seite der Bürger. Denn die Gefahr des Einzelnen, Opfer eines Irrtums - wie durch falsche oder zu grobe Algorithmen - zu werden, ist erheblich höher, als durch die Massenüberwachung vor einem Schaden durch Terroristen oder gewöhnliche Verbrecher geschützt zu werden. Schon ohne überall digitale Fingerabdrücke zu hinterlassen (und nichts weniger sind Metadaten), können wir alle jederzeit ohne unser Zutun in das Fadenkreuz von Ermittlungsbehörden geraten. Die möglichen Irrtümer bleiben aber wenigstens auf einem niedrigen Level, wenn die Menschen nicht aufgrund von willkürlichen Rastern in Schubladen gesteckt werden, sondern Vorwürfe oder Verdachtsmomente gegen sie individuell und mit Sorgfalt geprüft werden. Darüber hinaus muss es den Menschen möglich sein, nachteilige Entscheidungen und Repressalien überprüfen zu lassen oder sich zur Wehr zu setzen. Im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung ist dies schwer realisierbar. Die Befürchtung der Menschen, dass sie aufgrund ihres privaten Verhaltens oder aufgrund ihrer Kontakte in einer „verdächtigen Schublade“ landen und dadurch Nachteile erfahren könnten, führt dazu, dass Menschen sich auch im privaten Bereich verstellen. Dass sie darüber nachdenken, ob das, was sie sagen oder kaufen oder mit wem sie sich anfreunden, sie verdächtig machen könnte.

Ich schreibe Ihnen das, weil die scheinbar eilige Durchsetzung der Vorratsdatenspeicherung vor dem Hintergrund der niemals endenden Enthüllungen über gierige Geheimdienste, unwahrhaftige Aussagen von Politikern und Internetfirmen, die sich einfach über geltendes Recht hinweg setzen, weil sie niemand daran hindert, mein Vertrauen in die Demokratie massiv erschüttert hat. Ich kann einer Politik nicht mehr vertrauen, die entweder nicht im Stande oder nicht willens ist, wahrhaftig im Sinne ihrer Bürger zu agieren. Ich kann Politikern nicht vertrauen, die unfähig sind, ihre Entscheidungen mit vernünftigen Argumenten zu begründen und offen zu kommunizieren. Ich bin enttäuscht, dass wir im 21. Jahrhundert offenbar nichts aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben und Freiheit als wichtigstes Gut unserer Gesellschaft so leichtfertig preisgeben. 

Demokratie braucht Meinungsfreiheit, eine scharfe Trennung von öffentlicher und Privater Sphäre sowie eine Politik, die ihre Bürger nicht für dumm verkauft. Alles das geht mit der Vorratsdatenspeicherung zum Teufel.

Sehr geehrter Herr Steinbrück, ich bitte Sie inständig, bei der Abstimmung im Parlament gegen die Vorratsdatenspeicherung zu stimmen. 

Ich sehe in dem genannten Gesetzesentwurf einen Dammbruch, der, wenn er erst einmal umgesetzt ist und alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind, unseren Rechtsstaat und die freiheitliche Gesellschaft, in der ich sozialisiert wurde unumkehrbar verändern wird. Ich bin überzeugt, dass wir gegenwärtig an einem historischen Wendepunkt stehen, an dem unsere Entscheidungen im Bezug auf die digitale Durchdringung des Alltags sehr weitreichende Folgen haben. 

Ich wende mich mit diesem Appell an Sie als Mitglied der SPD-Fraktion, in der Hoffnung, Gehör zu finden. Ich tue dies in dem Bewusstsein, dass Ihre Partei sich in der Geschichte Deutschlands mindestens einmal als Einzige Fraktion im Parlament gegen eine unumkehrbare Abkehr von der Freiheit gestellt hat.

Mit freundlichen Grüßen

Montag, 12. Januar 2015

Facebook folgt mir. Und dir auch!



Wer sich ab dem 30. Januar 2015 bei Facebook einloggt, willigt automatisch in die neue Datenschutzrichtlinie des Unternehmens ein. Die besagt, dass Facebook von diesem Tag an nicht nur wie bisher Informationen aus dem Nutzerprofil und den damit verbundenen Apps, Spielen und Anzeigen sammelt und auswertet, sondern seine Mitglieder auch beim Surfen außerhalb des sozialen Netzwerkes beobachtet. Widerspruch ist nicht möglich. 

Bewerkstelligt wird die gezielte Verfolgung der Nutzer durch die Technologie eines eigenständigen Facebook-Tochterunternehmens, dem Werbenetzwerk Atlas Solutions, LLC. Der Dienst wurde ursprünglich von Microsoft gegründet und stellte Firmen - ähnlich wie Google - im ganzen Internet Raum für Anzeigen zur Verfügung. Facebook hat das Unternehmen im Jahr 2013 gekauft und die Plattform grundlegend überarbeitet. Jetzt soll Atlas nach eigenen Angaben in der Lage sein, Personen im Netz zielsicher zu identifizieren und mit individuell zugeschnittener Werbung zu versorgen, ihre Wirkung auf den potenziellen Kunden zu analysieren und so Schritt für Schritt zu verbessern.
Was sich zunächst recht harmlos anhört, hat es aber in sich. Wer die Datenrichtlinien bei Facebook liest, könnte meinen, dass das soziale Netzwerk seine eigenen Anzeigen künftig einfach nur auf andere Internetseiten ausweitet und man das Problem löst, indem man die Werbung ausblendet. Das kann man tun. Es verfehlt aber den Kern des Problems. Denn Atlas sammelt die Daten unbeeindruckt weiter, verzichtet lediglich darauf, dem Nutzer „seine“ Anzeigen zu präsentieren. 

Was ist neu?

Bisher fiel es Cookies und Co. grundsätzlich schwer, dem Nutzer zu folgen, sobald der die Geräte wechselte. Die kleinen Spähdateien können nicht vom Desktop-Rechner auf das Smartphone und umgekehrt wechseln. Eine gute Mischung von Laptop, Smartphone oder Tablet und der Gebrauch unterschiedlicher Browser haben also geholfen, die Identität des Nutzers einigermaßen zu verschleiern. Atlas bleibt aber immer am Mann bzw. an der Frau: Der Dienst überwindet diese Hardware-Barrieren und folgt dem Nutzer geräteunabhängig und personenbezogen durch die digitale Welt, sammelt dort eifrig Informationen über die Websites, die er besucht, Streamings, die er betrachtet, welche Anzeigen von Interesse sind, Besuchszeitpunkt  und Aufenthaltsdauer im angeklickten Shop.

Wie funktioniert das?

Ähnlich wie Google-Werbeanzeigen platziert Atlas Werbung im gesamten Internet. Diese Anzeigen erkennen Facebook-Mitglieder anhand ihrer Nutzerkennnummer. Diese Kennnummer wird einmalig bei der ersten Anmeldung in dem sozialen Netzwerk vergeben. Sie diente bisher unter anderem dazu, das Verhalten der Mitglieder innerhalb Facebooks zu verfolgen. Nun nutzt Atlas genau diese Nummer, um Facebook-Mitglieder im Netz zu identifizieren und sie bei ihren Spaziergängen durch die bunte digitale Welt auf Schritt und Tritt zu begleiten, zuzuschauen, welche Interessen sie haben, wo sie Einkaufen, was sie kaufen, ob sie bevorzugt Schnäppchen machen oder auf Qualität achten - alles ist interessant und wird gesammelt. Denn je mehr Atlas weiß, desto gezielter kann Werbung platziert werden. Gibt es Kinder? Ein Einkauf von Kinderbekleidung, Spielzeug oder Ratgeberliteratur verrät es. Gibt es Eheprobleme? Vielleicht, weshalb sollte sich eine „verheiratete“ Person sonst auf Single-Börsen tummeln? Vielleicht ist auch ein neuer Wagen fällig, weil sich die Suchanfragen nach Werkstätten häufen. Die neuen Facebook-Richtlinien ebnen den Weg, um genau diese Informationen über das Verhalten im Netz mit den Daten aus dem Facebook-Profil zu verbinden. Ein Eldorado für Werbetreibende. Entblößend für Nutzer.

Welche Informationen sammelt Atlas?

In seinen Richtlinien beschreibt Atlas sein Vorgehen wie folgt: Wird dem Nutzer eine Werbeanzeige aus dem Atlas-Netzwerk präsentiert, werden dauerhafte Cookies oder vergleichbare Technologien auf dem Endgerät platziert. Diese kleinen Dateien erkennen bei jeder weiteren Anzeige aus dem Atlas-Netzwerk die so gekennzeichneten Geräte immer wieder. Bei jedem Treffen werden mindestens folgende Informationen gesammelt oder abgeglichen: Die IP-Adresse des Endgerätes, die Kennnummern der darauf abgelegten Cookies, individuelle Identifikationscodes, die mit dem Browser oder Endgerät verbunden sind, den Browser-Typ und die auf ihm eingestellte Sprache und das Betriebssystem. Das bewegt sich noch im Rahmen dessen was viele andere Anwendungen im Netz auch tun. Ebenso registriert Atlas die URL der jeweils betrachteten Seite oder der genutzten App sowie die genaue Anzeige, die auf der betrachteten Seite oder App platziert ist, zusammen mit Datum und Zeitpunkt ihrer Präsentation. Darüber hinaus merkt sich das System auch, welche Produkte und Angebote der Werbepartner auf der Anzeige zu sehen waren. Klickt der Nutzer auf die Anzeige, wird auch diese Aktion von Atlas gesammelt und gespeichert. Ebenso wie Suchbegriffe, die der Nutzer in Suchmaschinen eingibt. Diese zunächst noch nicht personalisierbaren Daten werden mit Informationen aus dem Facebook-Netzwerk verknüpft. Hier erfährt Atlas auch, mit welchen Kontakten man bevorzugt kommuniziert. Bei Online-Einkäufen in den Shops der Werbepartner werden zusätzlich noch mindestens folgende Daten ergänzt: Alter, Geschlecht oder Postleitzahl des Einkäufers. Je häufiger ein Facebook-Mitglied also Seiten besucht, die durch Atlas beworben werden, desto differenzierter wird das Profil. Es entsteht nach und nach ein digitales Abbild der realen Person im Netz, das ihrer Kontrolle vollkommen entzogen ist. Genau das ist gefährlich und widerspricht dem Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung.
 
Was kann man tun?

Wer sich vor so viel Neugierde schützen will, muss vor dem 30. Januar handeln. Die sicherste, aber vermutlich auch die schmerzlichste Lösung besteht darin, sein Facebook-Profil zu löschen. Wer das nicht übers Herz bringt, sollte radikal alle persönlichen Angaben löschen, die sich löschen lassen: von Beziehungsstatus und Verwandtschaftsverhältnissen über Heimat- und aktuellen Wohnort bis hin zu Handynummern, Schulabschlüssen, oder Arbeitgebern.
Außerdem besteht die Möglichkeit, auf den Seiten der Network Advertising Initiative (NAI) oder der Digital Advertising Alliance (DAA) dem Atlas-Netzwerk seine Einwilligung zur Ausspähung per „opt-out“ zu entziehen. Beides sind Zusammenschlüsse von Werbetreibenden, die sich gewissen ethischen Richtlinien verpflichtet fühlen - Google und AOL gehören neben Facebook und Atlas beispielsweise auch dazu. Ein paar Englischkenntnisse sind nötig, aber der Vorgang ist einfach. Folgt man dem Link, durchsucht die geöffnete Seite den Browser nach Cookies oder ähnlichen Markierungen, die zur personenzentrierten Werbung nötig sind. Ist die Suche abgeschlossen, erscheint eine Liste der Firmen, die den jeweiligen Browser schon markiert haben. Per Häkchen kann man schließlich die unerwünschten Begleiter dann kennzeichnen und entfernen. Leider muss man diesen Vorgang nach jedem Browser Update und jedem Löschen der Cookies wiederholen, denn bei diesen Prozessen werden auch die schützenden Cookies gelöscht. Wer die Spione ausgeschaltet hat, sieht zwar noch weiterhin Werbung, diese fußt aber nicht mehr auf den Daten, die beim Surfen gewonnen wurden.

Donnerstag, 8. Januar 2015

Digitaler Selbstmord

Den Facebook-Account zu löschen, fühlt sich an wie Selbstmord.
Dabei sind das doch nur ein paar Bilder und Sprüche. Oder?
Ich habe es wirklich getan. Krass! Wahnsinn! War aber eigentlich ganz leicht. Vielleicht ein bischen wie Bungee. Es hat gekribbelt im Bauch und in den Fingern, der Puls ging einen Takt schneller, aber sonst ist gar nichts passiert. Dabei habe ich vorher tagelang mit mir gerungen und fieberhaft nach einer Hintertür gesucht, um diesen letzten, endgültigen Schritt zu vermeiden. Ich habe meine Arbeit, meinen Haushalt und meine Kinder - ja sogar meinen Ehemann - vernachlässigt, um belastbare Gründe zu finden, es nicht zu tun. Am Ende war das aber vergebens. Die Kiste war alternativlos. Ich habe meinen Facebook-Account gelöscht. 

Mit einem Klick war mein digitales Ich eliminiert und mit ihm der kurzweilige Kontakt zu 86 Freunden. Ich kannte alle persönlich - für die Natives: Ich bin diesen Leuten mehrmals analog begegnet, bevor es zu einer gezielten Freundschaftsanfrage auf Facebook kam. Klar - die anderen wie JenZz Oo oder El Ba gab es vorübergehend auch. Sie wurden aber schon zu einem weit früheren Zeitpunkt ins virtuelle Nirvana geschickt. 

Mein Account bestand seit Montag, dem 27. Oktober 2008 um 21:06 UTC+01. Das weiß ich so genau, weil ich mein Profil heruntergeladen habe und damit nun schwarz auf weiß die vielen Informationen überblicken kann, die ich Facebook ganz freiwillig überlassen habe. Angesichts dieser gespenstisch lückenlosen Dokumentation der letzten sechs Jahre beschleicht mich der Verdacht, dass ich schon viel früher hätte aussteigen sollen. Denn obwohl ich keine Intimitäten, Kinderfotos, Schmollmundbilder oder Urlaubsfotos gepostet habe, meinen Wohnsitz sowie Ausbildung etc. verschwieg, ergibt die Akte ein ziemlich exaktes Bild meiner Persönlichkeit. Und meiner Nutzungsgewohnheiten. Ich besitze jetzt eine vollständige Liste aller Logins und Logouts der letzten sechs Jahre, mit Datum, Uhrzeit, IP-Adresse, Browsertyp inklusive Versionskennung sowie der Bezeichnung des gesetzten Cookies. Das diese Informationen aufgezeichnet werden, war mir vorher schon klar. Ich habe es aber verdrängt. Warum eigentlich? Weil ich nicht aussteigen wollte. Ich wollte weiter mitmachen. Aber warum, wo es doch kein Geheimnis ist, dass die jedes Profil bis in die Chats durchleuchten und die ausgewerteten Daten lukrativ an ein Heer von Werbekunden verkaufen?

Zunächst ist die Sache ja sehr unterhaltsam. Man bekommt täglich eine lange Liste mit kurzweiligen Informationen frei Haus, die einem das Gefühl vermitteln, voll am Puls der Zeit zu sein, sich für trendige Sachen zu interessieren und auch selbst interessante Sachen zu machen. Selbst wenn man in der tiefsten Provinz lebt und Briefmarken sammelt. Es kommt eben nur auf die richtige Kameraperspektive an. Stimmt die, hat sogar ein neuer Maulwurfshügel einen gewissen Nachrichtenwert. Ich spreche da aus Erfahrung. Darüber hinaus kann man sich mit den zahllosen Newsfeeds ganz bequem über die neuesten Häkelmützen oder die brandaktuellen Geschehnisse in der Welt informieren. Selbstverständlich wählt man dazu die Medien, die einem am meisten liegen. Weil auch die Nachrichtenmacher Likes brauchen, posten selbst seriöse Medien wie die Zeit oder die Süddeutsche gerne solche Themen, über die man geteilter Meinung sein kann. Das ist man dann auch promt und schon geht's los: Fakten überlassen Meinungen das Feld und münden flugs in persönliche Beleidigungen. Immer. Eine recht frühe Erkenntnis bestand daher darin, dass Facebook nicht der richtige Ort ist, um sich zivilisiert in der Sache auseinanderzusetzen und andere Standpunkte zu respektieren. Hier herrscht Faustrecht. Meistens habe ich die Kommentare anderer gelesen und viel Zeit damit zugebracht, mich darüber zu ärgern. Nicht, weil sie meiner Meinung widersprechen, sondern weil sie beleidigend, meistens bar jeglichen Arguments dafür aber umso nachdrücklicher formuliert waren. Facebook bietet eine offene Bühne, die es jedem erlaubt, seine Selbst- und Weltwahrnehmung laufend zu bestätigen und Widerspruch hemmungslos niederzumachen. Ein virtueller Spiegel mit eingebautem Watschenaugust. Das ist doch was. Also ich fand's toll.

Aber warum habe ich mich dann gelöscht?

Es gibt zwei Gründe: Der Auslöser war die zum 30. Januar 2015 angekündigten Änderung der Datenschutzrichtlinien, die beinhalten, dass die Plattform mein Surfverhalten auch außerhalb Facebooks ausspäht, auswertet und die zusätzlichen Informationen zusammen mit meinen Profildaten an Werbetreibende verkauft. Wer sich ab dem 30. Januar einloggt, gibt dem Unternehmen automatisch die Erlaubnis dazu. Widerspruch ist nicht möglich. Juristen zweifeln die Rechtmäßigkeit des Vorgehens an. Aber das hilft nichts. Man kann die Datensammlung auch nicht mit ein paar Häkchen in den Privatsphäre-Einstellungen abstellen. Man kann dort nur verhindern, dass einem die Werbung tatsächlich angezeigt wird. Die Datensammlung findet trotzdem statt. Diese weitreichende Ausspähung meiner privaten oder beruflichen Webstreifzüge ist für mich inakzeptabel. Sie verstößt noch gröber als bisher gegen das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung, weil ich nicht mehr wissen und beeinflussen kann, wer wann welche Daten über mich hat und zu welchem Zweck er sie nutzt. Vielleicht fließen meine Musikvorlieben demnächst in ein Bonitätsscoring ein? Hard Rock, Independent und Metall sind da wahrscheinlich nicht von Vorteil. Wer mehr über die neuen AGBs wissen will, kann sich hier schlau machen. Facebook selber gibt natürlich auch Auskunft, lenkt aber mit beschönigenden Formulierungen wirkungsvoll von der ungeheuren Dreistigkeit des Unterfangens ab. Ich bevorzuge daher folgende Artikel: 

Der zweite Grund für die endgültige Vernichtung meines digitalen Selbst ist ein psychologischer. Er ist in seiner Wirkung durchaus mit kaltem Entzug vergleichbar. Ich setze mich dem aber aus, weil alle sanfteren Methoden versagt haben: Es wird eine große Leere und eine starke Verzweiflung über mich kommen, möglicherweise begleitet von körperlichen Erscheinungen wie einem unsteten Blick, fahrigen Wischbewegungen auf meinem Smartphone oder diffuser Unruhe. Vermutlich werde ich erst langsam wieder lernen müssen, meine Zeit mit sinnvollen Dingen zu füllen oder mich einem einzigen Thema länger als zwei Minuten zu widmen. Der Aufenthalt auf dieser Plattform übt einen immensen Sog aus, dem ich mich schlecht entziehen konnte. Zig mal am Tag ein prüfender Blick, ob es Neues gibt - gibt es immer. Wer hat wie auf meine Beiträge reagiert? - Keiner. Totaler Frust ist dann Programm, gefolgt von der rastlosen Suche nach spannenderen Sachen. Beim Blick in die Welt poppt ständig eine Idee auf, was ich als nächstes posten könnte. Geschieht nichts, stelle mich mit der Kamera auf die grüne Wiese und warte auf den nächsten Maulwurfshaufen. Dabei klicke ich mich durch kreative Bildergalerien und teile das. Ich ärgere mich über blöde Kommentare zu Zeitungsartikeln, rassistische Posts, gähne kräftig über das hundertste Reisefoto mit Strand, Cocktail und Plamen, vertue Zeit mit der Lektüre sehr vieler Artikel zu sehr vielen Themen und stelle am Ende des Tages verzweifelt fest, dass ich unglaublich unproduktiv war. Weil es ja soviel zu gucken gab. 

Diesen Zeitfresser bin ich jetzt also los. Ebenso wie das schleichende Gefühl, ständig manipuliert zu werden. Und zwar gerade durch den Newsstream der genau aus dem besteht, was ich selbst abonniert habe. Aber eben nur aus dem. Und ich sehe auch nur die Freunde, mit denen ich sowieso schon oft interagiere. Die anderen sind gewöhnlich verborgen. Die Algorithmen liefern mir das, womit sie auf der Grundlage meiner Daten glauben, mir eine Freude machen zu können. Wenn die Algorithmen glauben könnten. Tun sie aber nicht. Sie folgen blind simplen mathematischen Regeln.

Meinen Freunden werde ich wieder analog begegnen. Oder per SMS. Da liest wenigstens nur der BND mit und die NSA. Aber wehe, wenn die auch Werbung schalten. Dann steige ich aus!