Sonntag, 9. Juni 2013

Auf die Transitstrecke

Sommergewitterwolken hängen über dem Garten, hängen fast in den Kronen der Birken fest, die hier überall wachsen. Die Schwere gepaart mit Schlafmangel durch ein frühaktives Familienmitglied machen mir düstere Gedanken. Wir werden umziehen. Schon wieder. Schon wieder nach knapp drei Jahren. Die regelmäßigen Umzüge der letzten Jahre fühlen sich an wie die Nahtstellen zwischen Asphaltplatten auf der ehemaligen Transitstrecke von Braunschweig nach Westberlin. Oder Bahnschwellen. Exakt getaktetes Holpern, rhythmische Stöße, die zwar den Fluss der Zeit strukturieren, die Reise aber unkomfortabel machen und gleichzeitig den Geist mit ihrer Monotonie einlullen, sodass einem dann auch wieder alles egal ist. Eine suboptimale Beschaffenheit der Wegstrecke, die ein zügiges Weiterkommen sabotiert. In der mittleren Vergangenheit hat es bei uns ziemlich genau alle drei Jahre gerumpelt. Gerade wenn fast alles seinen Platz gefunden hat, werden wieder Kisten gepackt, Mobiliar verladen, Alltagsroutinen aufgegeben, neue Freundschaften begraben und unbekannte Ufer angepeilt. Zelt abgebrochen, Teppich zusammengerollt, alles aufs Kamel geschnürt und die Karawane zieht weiter.


"Dreimal umgezogen ist wie einmal abgebrannt"

Es ist der Reibungsverlust im Alltag, der nervt und es sind die Routinen, die schmerzlich vermisst werden - zumindest in den nächsten drei Jahren mit abnehmender Intensität: zu wissen, wann die Post offen hat, wo die Notfallambulanzen und Parkmöglichkeiten in der Innenstadt sind, Bezugspersonen der Kinder während der Tagesbetreuung sind bekannt und in Ordung. Zu wissen - zumindest in etwa - wo sich Kochgeschirr, Shampoo und wichtige Unterlagen befinden.Das Gute: man reist mit leichtem Gepäck. Selbst bei einem Vierpersonenhaushalt lässt sich alles leicht einpacken und mitnehmen. Kein schweres Buffet, keine imposante Bücherwand. Ohne Keller oder Dachboden sammelt sich eh kein Ballast an und den, den es irgendwann mal gab, hat der Schimmel ein paar Bahnschwellen früher in anderen Kellern oder das Missverständnis mit dem Entrümpeler geholt. Alles mobil. Alles flexibel. Unverbunden. Eigentum macht da nur unbeweglich.

Irgendwie - gerade so total spontan und aus dem Bauch raus - finde ich das alte Modell gar nicht schlecht: einen Platz zum Leben zu finden, dort ein Haus zu bauen, ein bisschen Krempel anhäufen und einfach bleiben wo man ist. Den Rückbau der ganzen Angelegenheit überlässt man dann den Nachkommen.

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