Freitag, 21. Juni 2013

Die Karawane zieht weiter

JETZT blüht sie.MISTDING!
So. Heute sind es noch neun Wochen und zwei Tage bis zum Umzug. Neenee. Ich habe mich nicht verzählt. Jaaajaaajaaa! Ich weiß. Am 5. Juni habe ich schonmal was von zehn Wochen erzählt. RECHNERISCH müssten wir dann jetzt, gute zwei Wochen später, etwa bei "noch acht Wochen" liegen. Das wäre reine Mathematik. Die hhat bekanntlich mit dem Leben nichts zu tun. Meine Rechnung fußt auf Empirie. Denn eigentlich besagte der erste Plan: Mitte August umziehen! Dann kam die Überlegung, dass die neue Hütte ja erst noch hergerichtet werden muss. Klack. Eine Woche weiter. Und dann kamen die Handwerker ins Spiel. Die haben dem Zeitplan den Todesstoß versetzt und die Uhr wieder auf Anfang gedreht.

Also: Ab  jetzt noch zehn Wochen. 

Jetzt ECHT.

Während hier und jetzt der Alltag nach wie vor in seinen gewohnten Bahnen läuft, kann ich mir gar nicht vorstellen, dass in zehn Wochen alles anders sein wird. Also ALLES. Außer uns natürlich, Familie Zumbrechenflexibel. Wir bleiben uns erhalten, wechseln nur mal wieder das Revier. Nomaden halt: "Du, guck mal, die Weide da hinten, am Fuß der Berge, zu denen man drei Tage durch die Wüste laufen muss, ist viel grüner als hier. Lass uns unsere Zelte abbrechen und dorthin ziehen. Das sieht so toll aus!!" "Aber weißt du auch, ob es da Wasser gibt? Vielleicht leben da giftige Schlangen und bösartige Tiere. Vielleicht ist das Revier besetzt und die Nachbarn vertreiben uns. Oder so. Und dann sitzen wir da und müssen leider verdursten, denn für den Rückweg fehlt uns das Wasser." "Ach Quatsch. Guck mal! Sieht doch so schön aus da. Und am Fuß der Berge gibt es IMMER Wasser." "Ach so?! Na gut. Ich roll dann schonmal den Teppich zusammen und ziehe die Heringe raus..."

Nachdem ich am Dienstag zum ersten Mal in meinem Leben die wertvolle Kulturtechnik des Rasenmähens angewendet habe - wahrscheinlich zum ersten und letzten Mal in meinem eigenen Garten - und mich mit so widerwärtigen Dingen wie "Vorfälligkeitsentschädigung" herumschlagen muss, spuken mir allerlei Gedanken zu den Themen Sesshaftigkeit und Nomadentum im Kopf rum. Die Nähe zu letzteren empfinde ich dieser Tage extrem, schließlich brechen wir unser Lager alle Nas lang ab, um uns den grünen verlockenden Weiden am Horizont zuzuwenden. Im Vergleich zu dem eher sesshaften Teil unseres Freundeskreises erweist sich diese Lebensweise als wenig nachhaltig und zehrend auf allen möglichen Ebenen. 

Vorneweg die Finanzen. Wer alle drei Jahre umzieht, egal ob innerstädtisch oder über Landesgrenzen  hinweg, investiert Geld, das andere für Anderes ausgeben können. Zum Beispiel für Sachen, die Spaß machen. Umzugskosten summieren sich bei einen Vierpersonenhaushalt im Handumdrehen zu einigen Tausenden. Neben den eigentlichen Kosten der Logistik - Packen, Tragen, Fahren, auspacken - kommt die Instandsetzung und Reinigung der alten (lästig) und der neuen Immobilie (keine Zeit, machen wir später) hinzu. Dann noch Reisekosten, Verdienstausfälle, neue Möbel, Elektrogeräte, Maklerprovisionen. Ich würde jetzt mal so schätzen - grrrroooob natürlich - das sind in jeder Runde etwa 8.000 Euro. Das alle drei Jahre. Dazu kommt noch, das die fehlenden sozialen Netze wie Familie und Freunde zum gemeinschaftlichen Kinderhüten etc. wegfallen und durch Profis ersetzt werden müssen. Das erhöht die laufenden Kosten. 

Mit dem Ausfall der sozialen Netze sind wir auch schon beim nächsten Punkt: Soziale Kontakte müssen ständig neu geknüpft und auf Tragfähigkeit getestet werden. Das ist im fortgeschrittenen Alter - also zwischen 30 und 40 schwer. Neue Freundschaften schließt man dann nicht mehr so ohne Weiteres. Da hinkt auch der Nomadenvergleich. Die ziehen ja in der Sippe von Ort zu Ort. Ihre wichtigsten Peers immer im Schlepptau. Als moderner Neuzeitnomade hat man nur sich selbst im Gepäck und daran schon genug zu schleppen. Die Freundessituation ist also auch eher - hmmm - reduziert.

Dann kommt noch der kostbare Faktor ZEIT. Wir fahrendes Volk haben keine Zeit, weil wir uns ständig neu organisieren müssen. Wo die Leute aus Villarriba schon lange feiern, sind die Mädels aus Villabajo noch damit beschäftigt, den scheiß Dorfplatz zu suchen. Dumme Hühner! Will sagen - es kann schonmal ein Nachmittag dabei draufgehen, einfach mal einen Brief zur Post bringen. Weil man die Post nicht findet und die Öffnungszeiten nicht kennt. Oder die Umgehung der verdammten Verkehrsumleitung über die nächsten drei Kuhkäffer nicht in den Zeitplan einbezogen hat. 

Wir Mobilen zahlen drauf. In punkto Kapital, Freundschaft - mit rühmlichen Ausnahmen, hier sei ausdrücklich Frau Dr. Landei erwähnt - und Zeit. Jobnomaden sind eben keine Nomaden. Noch nicht. Dazu fehlen einfach die sozialen und kulturellen Strukturen. Sie sind entwurzelte Sesshafte, die zugunsten des Jobs das ganze andere Gedöhns hinten anstellen bzw. umorganisieren (müssen). Ob sich das mit Blick aufs Leben wirklich auszahlt, zeigt erst die Abschlussrechnung. Diejenigen, denen diese Lebensform aber schon jetzt nutzt - ich denke hier vorallem an die Arbeitgeber und Umzugsunternehmen - stellen das gerne als Avantgarde der neuen Lebens- und Arbeitswelt dar. Sie jagt von einem tollen Projekt zum nächsten, von Stadt zu Stadt und Land zu Land. Es gibt schicke High-End-WGs, in denen sich die mobilen Leistungsträger der globalisierten Welt monatsweise einmieten können. Ich kann mir nicht helfen, aber das erinnert mich irgendwie mehr an Tagelöhner und Gelegenheitsarbeiter, als an Nomaden.

Mir erscheint das dieser Tage alles ziemlich fad. Ich würde eigentlich noch ganz gerne weiter meinen eigenen Rasen mähen. Und nicht den anderer Leute.

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