Dienstag, 18. Juni 2013

Die Grenze der Flexibilität oder erlebte Hysterese

Ich bin ja sowas von flexibel. Ist mein Haupt- und Zunahme. Gestatten, Frau Zumbrechenfexibel. Angenehm! Passt auch total gut in die Zeit. Brauche keinen Plan. Und wenn doch, dann höchstens, um ihn wieder umzuwerfen. Sicherheiten? Pah - nur was für Weicheier! ICH bin so lebendig und kann mich auf ALLES einstellen. Ich gewinne dem sogar noch was Positives ab. Naja - irgendwie.

Aber auch meine Bieg- und Beugsamkeit hat ihre Grenzen. Nämlich wenn sich die Beugung und ständige Neuberechnung der Aktionspläne mit starren Strukturkonstanten überlagert. Dann kommt es zu destruktiven konstruktiven Interferenzen. Heute passiert. Nach dem Geburtstags-Läuse-Kinderentleerungs-Partymarathon der letzten Woche bin ich seit gestern nur noch mit überleben beschäftigt - einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen, dings, naja - und wohl zu ungeschützt in komatische Tiefenentspannung gefallen. Total toll eigentlich: zufrieden mit mir, meinem Organisationstalent und der Fähigkeit, sich auch in chaotischen Zeiten behaupten zu können. Ich habe heute morgen um 5.48 Uhr sogar die Biotonne rausgestellt!!!

Habe ich das wirklich gemacht? Das ist krass! Echt.

Im Kindergarten bin ich dann umso härter mit der Strukturkonstanten kollidiert. "Na, Kind Nr.1 von Familie Zumbrechenflexibel", tönt da der resolute Bass (NEIN, kein ALT. BASS!) einer Erzieherin als Begrüßung durch den Flur, "hast du denn auch deinen Rucksack dabei?" Kind Nr.1: "...?!" Ich "...!!!" Oh nein! Ich habe den Ausflug vergessen! Den seit Wochen geplanten, bezahlten und auch ein bisschen erbettelten Ausflug, weil wir doch nicht da waren, als die verdammte Liste aushing und das Kind doch zu gerne mitgefahren wäre... Und jetzt: Vergessen. Was bin ich bloß für eine Rabenmutter. Verflogen die wahnhafte Selbsteinschätzung, das ganze Chaos brillant zu meistern. Jetzt sehe ich der Realität ins Auge: Nichts habe ich im Griff, noch nichtmal den Proviantrucksack für Kind Nr.1 für den Ausflug ins Sealife. Aber dank Krisenmanagement besser organisierter Mütter, muss mein Kind heute weder hungern, noch verdursten. Ich bin so glücklich.

Die akute Krise ist mal wieder meisterhaft bewältigt, hat aber die Illusion der unbegrenzten Flexibilität empfindlich angekratzt. Die ist nämlich nicht umsonst zu haben.

"Flexibilität ist grundsätzlich die Fähigkeit eines Lebewesens zur Veränderung oder Selbstorganisation, mit der es auf veränderte äußere Umstände reagieren kann." 
So weit, so gut.

"Flexibilität weist auf eine umstellungsfähige und wenig festgefahrene Bindungs- und Verhaltensstruktur hin."
Bin nicht festgefahren. Besitze aber eine Heckenschere. Gibt das jetzt Punktabzug?

"Das Potenzial der Flexibilität liegt begründet in der Erweiterung des Aktionsraums, der die möglichen Handlungsalternativen in einer Entscheidungssituation umfasst, sowie in der Reduzierung der benötigten Zeit, einzelne Strategien und Aktionen umzusetzen und durchzuführen. Der Begriffskomplex ist eng mit dem Begriff „Lernen“ verwandt".
Ja. Habe etwas gelernt: Dauernde Brandbekämpfung, bekämpft Brände. Das gilt auch für erweiterte Aktionsräume. Nachhaltige Lebensführung ist aber irgendwie anders.

In der Physik gibt es einen total tollen Ausdruck für das beschriebene Phänomen. Er nennt sich "Elastizitätsgrenze." Wird die überschritten, schaffen es die Moleküle nach der Entlastung nicht mehr in ihre Ausgangsposition zurück. Dann kommt es zur ELASTISCHEN HYTERESE. Bei der kommt es nach der Entfernung der verformenden Kräfte zu einer dauerhaften Auslenkung des Materials.

Stimmt. Um das zu bestätigen, brauche ich heute nur in den Spiegel zu gucken.

3 Kommentare:

  1. ...und siehe da, tagelang übernatürliche Höchstleistung vollbracht, einmal gemenschelt und prompt ein schlechtes Gewissen...ein Hurra auf das Chaos und die Mitmenschen, die uns im Fall der Fälle zur Seite stehen. Vielleicht helfen hunderte von Mühlsteinen,überwiegend Stolz auf das Vollbrachte und nur ein schmunzelndes Schulterzucken für das Misslungene zu empfinden. Ich freue mich drauf, wenn ich diesen Moment für mich erleben kann (vermutlich kann ich darauf noch bis zum Beginn des senilen Altersstarrsinn warten) Halt die Ohren steif, du bist nicht die Einzige, auch wenn uns die gemeinen Supermuddieehs anderes suggerieren!

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    1. hunderte Mühlsteine... ich mach lieber die Teelichter. Dabei muss ich nicht so komisch gucken. Das mache ich dieser Tage eh die ganze Zeit.

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